wurde; es ist parthienweise unendlich trefflich und vollendet, und wenn man es an einzelnen Stellen zur prosaischen Rüchternheit sinken sieht, dann muß man sich errinnern, wie nahe in jenen Zeiten Poesie und Prosa aneinander gränzten, wie den einfachen Menschen die Prosa selbst wunderbar und als Poesie erschien; wie aber dagegen auch die Poesie ganz die Prosa des Lebens durchdrang. Der Jugend ist die ganze Welt ein großer Traum; die Gegenstände sind mit brennenden Regenbogen noch umgürtet, die ganze Ratur ein großer Frühling, in dem Alles blüht, was sonst nicht Blüthe trägt; später erst scheiden sich die Jahrszeiten, und die nackten Zweige, die die Blüthen tragen, treten auch hervor, und in den Zweigen die Gefäße und die Saft- röhren, und der Nahrungsapparat, aus dem Alles geworden ist.
Der Octavianus ist ohne Zweifel wohl französischen Ur- sprungs, und das Volksbuch bezieht sich auf eine ältere Ausgabe zurück, die unter dem Ramen: Ein schöne und kurzweilige Histori, von Keyser Octaviano, seinem Weib und zweyen Sönen, wie die in das ellend ver- schickt, und wunderbarlich in Frankreich bey dem frommen Künig Dagoberto widerumb zusammen kom- men seind. Newlich aus französischer sprach in Teutsch verdollmetscht. Gedruckt zu Straßburg bey Jacob Fröh-
wurde; es iſt parthienweiſe unendlich trefflich und vollendet, und wenn man es an einzelnen Stellen zur proſaiſchen Rüchternheit ſinken ſieht, dann muß man ſich errinnern, wie nahe in jenen Zeiten Poeſie und Proſa aneinander gränzten, wie den einfachen Menſchen die Proſa ſelbſt wunderbar und als Poeſie erſchien; wie aber dagegen auch die Poeſie ganz die Proſa des Lebens durchdrang. Der Jugend iſt die ganze Welt ein großer Traum; die Gegenſtände ſind mit brennenden Regenbogen noch umgürtet, die ganze Ratur ein großer Frühling, in dem Alles blüht, was ſonſt nicht Blüthe trägt; ſpäter erſt ſcheiden ſich die Jahrszeiten, und die nackten Zweige, die die Blüthen tragen, treten auch hervor, und in den Zweigen die Gefäße und die Saft- röhren, und der Nahrungsapparat, aus dem Alles geworden iſt.
Der Octavianus iſt ohne Zweifel wohl franzöſiſchen Ur- ſprungs, und das Volksbuch bezieht ſich auf eine ältere Ausgabe zurück, die unter dem Ramen: Ein ſchöne und kurzweilige Hiſtori, von Keyſer Octaviano, ſeinem Weib und zweyen Sönen, wie die in das ellend ver- ſchickt, und wunderbarlich in Frankreich bey dem frommen Künig Dagoberto widerumb zuſammen kom- men ſeind. Newlich aus franzöſiſcher ſprach in Teutſch verdollmetſcht. Gedruckt zu Straßburg bey Jacob Fröh-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0151"n="133"/>
wurde; es iſt parthienweiſe unendlich trefflich und<lb/>
vollendet, und wenn man es an einzelnen Stellen zur<lb/>
proſaiſchen Rüchternheit ſinken ſieht, dann muß man<lb/>ſich errinnern, wie nahe in jenen Zeiten Poeſie und<lb/>
Proſa aneinander gränzten, wie den einfachen Menſchen<lb/>
die Proſa ſelbſt wunderbar und als Poeſie erſchien;<lb/>
wie aber dagegen auch die Poeſie ganz die Proſa des<lb/>
Lebens durchdrang. Der Jugend iſt die ganze Welt<lb/>
ein großer Traum; die Gegenſtände ſind mit brennenden<lb/>
Regenbogen noch umgürtet, die ganze Ratur ein großer<lb/>
Frühling, in dem Alles blüht, was ſonſt nicht Blüthe<lb/>
trägt; ſpäter erſt ſcheiden ſich die Jahrszeiten, und die<lb/>
nackten Zweige, die die Blüthen tragen, treten auch<lb/>
hervor, und in den Zweigen die Gefäße und die Saft-<lb/>
röhren, und der Nahrungsapparat, aus dem Alles<lb/>
geworden iſt.</p><lb/><p>Der Octavianus iſt ohne Zweifel wohl franzöſiſchen Ur-<lb/>ſprungs, und das Volksbuch bezieht ſich auf eine ältere<lb/>
Ausgabe zurück, die unter dem Ramen: Ein ſchöne<lb/>
und kurzweilige Hiſtori, von Keyſer Octaviano, ſeinem<lb/>
Weib und zweyen Sönen, wie die in das ellend ver-<lb/>ſchickt, und wunderbarlich in Frankreich bey dem<lb/>
frommen Künig Dagoberto widerumb zuſammen kom-<lb/>
men ſeind. Newlich aus franzöſiſcher ſprach in Teutſch<lb/>
verdollmetſcht. Gedruckt zu Straßburg bey Jacob Fröh-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[133/0151]
wurde; es iſt parthienweiſe unendlich trefflich und
vollendet, und wenn man es an einzelnen Stellen zur
proſaiſchen Rüchternheit ſinken ſieht, dann muß man
ſich errinnern, wie nahe in jenen Zeiten Poeſie und
Proſa aneinander gränzten, wie den einfachen Menſchen
die Proſa ſelbſt wunderbar und als Poeſie erſchien;
wie aber dagegen auch die Poeſie ganz die Proſa des
Lebens durchdrang. Der Jugend iſt die ganze Welt
ein großer Traum; die Gegenſtände ſind mit brennenden
Regenbogen noch umgürtet, die ganze Ratur ein großer
Frühling, in dem Alles blüht, was ſonſt nicht Blüthe
trägt; ſpäter erſt ſcheiden ſich die Jahrszeiten, und die
nackten Zweige, die die Blüthen tragen, treten auch
hervor, und in den Zweigen die Gefäße und die Saft-
röhren, und der Nahrungsapparat, aus dem Alles
geworden iſt.
Der Octavianus iſt ohne Zweifel wohl franzöſiſchen Ur-
ſprungs, und das Volksbuch bezieht ſich auf eine ältere
Ausgabe zurück, die unter dem Ramen: Ein ſchöne
und kurzweilige Hiſtori, von Keyſer Octaviano, ſeinem
Weib und zweyen Sönen, wie die in das ellend ver-
ſchickt, und wunderbarlich in Frankreich bey dem
frommen Künig Dagoberto widerumb zuſammen kom-
men ſeind. Newlich aus franzöſiſcher ſprach in Teutſch
verdollmetſcht. Gedruckt zu Straßburg bey Jacob Fröh-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/151>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.