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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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ich deshalben, wenn ich durch den Wald gieng, daß
mich die Reisser nicht in die Augen schlugen, daß ich
auch von hinten und vorn sehen kunte. In denen
Dingen wollt ich ganz schnell heimlaufen, und lief
geschwind wie ein Pfeil auf einen Heller, da stund bald
ein starker Wind auf, wehet mir den Kopf wieder herab,
jagte ihn weit von mir hinaus, ich sahe wohl, wo er
lief, eilte ihm schier eine welsche Meil Wegs nach,
bis ich ihn erwischte, da säuberte und putzte ich ihn,
und band ihn mit rothen Nesseln auf, wohl zusammen-
gebunden und verwahret, also wuchs er mir bald wieder,
da war ich stolz, daß ich wieder sehen kunte". Das
kleine Werkchen 14 Blätter stark, ohne Zweifel die
Geburt weniger Augenblicke eines Geistes, der in dieser
Sternschnuppe sich reinigte, datirt sich wahrscheinlich
aus den Zeiten des dreissigjährigen Krieges her, wo der
Hang zum Prahlen und Lügen epidemisch in Teutsch-
land grassirt haben mag, daß man den Witz dieser
Influenza entgegensetzen zu müssen glaubte. Der
Hans Guck in die Welt ist fremdartiger Zusatz, eine
schlechte poetische Epistel, und dann 400 zeitkürzende
Scherzreden; Gassenhauer, aber darum nichtsdestowe-
niger meist recht witzig erfunden, spöttisch und scharf.


ich deshalben, wenn ich durch den Wald gieng, daß
mich die Reiſſer nicht in die Augen ſchlugen, daß ich
auch von hinten und vorn ſehen kunte. In denen
Dingen wollt ich ganz ſchnell heimlaufen, und lief
geſchwind wie ein Pfeil auf einen Heller, da ſtund bald
ein ſtarker Wind auf, wehet mir den Kopf wieder herab,
jagte ihn weit von mir hinaus, ich ſahe wohl, wo er
lief, eilte ihm ſchier eine welſche Meil Wegs nach,
bis ich ihn erwiſchte, da ſäuberte und putzte ich ihn,
und band ihn mit rothen Neſſeln auf, wohl zuſammen-
gebunden und verwahret, alſo wuchs er mir bald wieder,
da war ich ſtolz, daß ich wieder ſehen kunte“. Das
kleine Werkchen 14 Blätter ſtark, ohne Zweifel die
Geburt weniger Augenblicke eines Geiſtes, der in dieſer
Sternſchnuppe ſich reinigte, datirt ſich wahrſcheinlich
aus den Zeiten des dreiſſigjährigen Krieges her, wo der
Hang zum Prahlen und Lügen epidemiſch in Teutſch-
land graſſirt haben mag, daß man den Witz dieſer
Influenza entgegenſetzen zu müſſen glaubte. Der
Hans Guck in die Welt iſt fremdartiger Zuſatz, eine
ſchlechte poetiſche Epiſtel, und dann 400 zeitkürzende
Scherzreden; Gaſſenhauer, aber darum nichtsdeſtowe-
niger meiſt recht witzig erfunden, ſpöttiſch und ſcharf.


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[182/0200] ich deshalben, wenn ich durch den Wald gieng, daß mich die Reiſſer nicht in die Augen ſchlugen, daß ich auch von hinten und vorn ſehen kunte. In denen Dingen wollt ich ganz ſchnell heimlaufen, und lief geſchwind wie ein Pfeil auf einen Heller, da ſtund bald ein ſtarker Wind auf, wehet mir den Kopf wieder herab, jagte ihn weit von mir hinaus, ich ſahe wohl, wo er lief, eilte ihm ſchier eine welſche Meil Wegs nach, bis ich ihn erwiſchte, da ſäuberte und putzte ich ihn, und band ihn mit rothen Neſſeln auf, wohl zuſammen- gebunden und verwahret, alſo wuchs er mir bald wieder, da war ich ſtolz, daß ich wieder ſehen kunte“. Das kleine Werkchen 14 Blätter ſtark, ohne Zweifel die Geburt weniger Augenblicke eines Geiſtes, der in dieſer Sternſchnuppe ſich reinigte, datirt ſich wahrſcheinlich aus den Zeiten des dreiſſigjährigen Krieges her, wo der Hang zum Prahlen und Lügen epidemiſch in Teutſch- land graſſirt haben mag, daß man den Witz dieſer Influenza entgegenſetzen zu müſſen glaubte. Der Hans Guck in die Welt iſt fremdartiger Zuſatz, eine ſchlechte poetiſche Epiſtel, und dann 400 zeitkürzende Scherzreden; Gaſſenhauer, aber darum nichtsdeſtowe- niger meiſt recht witzig erfunden, ſpöttiſch und ſcharf.

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/200>, abgerufen am 24.11.2024.