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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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den Witzenbürgern und seine frühere Bewillkommnung,
die Hochzeit, die der Sauhirt seinem Sohne ausrichtet,
das Verstecken der Glocken im See, das Abentheuer
mit dem Krebse und dem Maushund in dem ersten
Buche, dann das Lochausgraben, die Reise der drei
Abgesandten nach Witzenburg, so wie die ganze Ver-
handlung über das fehlende Rad und den Deichsel,
und des Schlottfegers Expedition, um sie in der Stadt
zu holen, im Zweiten, gehören zum Trefflichsten, was
Witz und Ironie irgend producirten. Dabei ist Alles
in einem und demselben Geist empfangen, und daher
wie in einem Guß gegossen, selten nur verliert sich
der reiche Fluß in allgemeine leere Weitschweisigkeit.
Es ist erfreulich, daß das meisterhafte Werk, das die
höhere Literatur unverdient der Vergessenheit überge-
hen, sich darum nicht hat umbringen lassen, sondern fort-
dauernd unter dem Volke sich erhalten hat, und wenn
es auch dort als Ganzes wieder zu verlieren sich an-
fängt, doch in die Masse eingedrungen in der Tradition
fortlebt. Was Tiek in seinen Schildbürgern wieder
in die höheren Kreise zurückgeführt hat, ist nur der
kleinste Theil des Ganzen, weil er wahrscheinlich das
vollständige Werk nicht kannte, überdem ist
auch die neuere Sprache nicht so dem Geiste des
Werks zusprechend, wie die Alte, sorglose, breite,

den Witzenbürgern und ſeine frühere Bewillkommnung,
die Hochzeit, die der Sauhirt ſeinem Sohne ausrichtet,
das Verſtecken der Glocken im See, das Abentheuer
mit dem Krebſe und dem Maushund in dem erſten
Buche, dann das Lochausgraben, die Reiſe der drei
Abgeſandten nach Witzenburg, ſo wie die ganze Ver-
handlung über das fehlende Rad und den Deichſel,
und des Schlottfegers Expedition, um ſie in der Stadt
zu holen, im Zweiten, gehören zum Trefflichſten, was
Witz und Ironie irgend producirten. Dabei iſt Alles
in einem und demſelben Geiſt empfangen, und daher
wie in einem Guß gegoſſen, ſelten nur verliert ſich
der reiche Fluß in allgemeine leere Weitſchweiſigkeit.
Es iſt erfreulich, daß das meiſterhafte Werk, das die
höhere Literatur unverdient der Vergeſſenheit überge-
hen, ſich darum nicht hat umbringen laſſen, ſondern fort-
dauernd unter dem Volke ſich erhalten hat, und wenn
es auch dort als Ganzes wieder zu verlieren ſich an-
fängt, doch in die Maſſe eingedrungen in der Tradition
fortlebt. Was Tiek in ſeinen Schildbürgern wieder
in die höheren Kreiſe zurückgeführt hat, iſt nur der
kleinſte Theil des Ganzen, weil er wahrſcheinlich das
vollſtändige Werk nicht kannte, überdem iſt
auch die neuere Sprache nicht ſo dem Geiſte des
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[186/0204] den Witzenbürgern und ſeine frühere Bewillkommnung, die Hochzeit, die der Sauhirt ſeinem Sohne ausrichtet, das Verſtecken der Glocken im See, das Abentheuer mit dem Krebſe und dem Maushund in dem erſten Buche, dann das Lochausgraben, die Reiſe der drei Abgeſandten nach Witzenburg, ſo wie die ganze Ver- handlung über das fehlende Rad und den Deichſel, und des Schlottfegers Expedition, um ſie in der Stadt zu holen, im Zweiten, gehören zum Trefflichſten, was Witz und Ironie irgend producirten. Dabei iſt Alles in einem und demſelben Geiſt empfangen, und daher wie in einem Guß gegoſſen, ſelten nur verliert ſich der reiche Fluß in allgemeine leere Weitſchweiſigkeit. Es iſt erfreulich, daß das meiſterhafte Werk, das die höhere Literatur unverdient der Vergeſſenheit überge- hen, ſich darum nicht hat umbringen laſſen, ſondern fort- dauernd unter dem Volke ſich erhalten hat, und wenn es auch dort als Ganzes wieder zu verlieren ſich an- fängt, doch in die Maſſe eingedrungen in der Tradition fortlebt. Was Tiek in ſeinen Schildbürgern wieder in die höheren Kreiſe zurückgeführt hat, iſt nur der kleinſte Theil des Ganzen, weil er wahrſcheinlich das vollſtändige Werk nicht kannte, überdem iſt auch die neuere Sprache nicht ſo dem Geiſte des Werks zuſprechend, wie die Alte, ſorgloſe, breite,

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/204>, abgerufen am 24.11.2024.