Besprechungen sich ergießend. Es ist ein wunderbar- liches Vertrauen, was die Menschen so lange hin in die Macht des Wortes über die Elemente und das Geisterreich gesetzt. Sie sahen, wie sie mimisch in den untern Organen ihres Leibes die Materie bemeistern konnten; sie schlossen, daß sie durch das höhere Organ gleichfalls wohl das Höhere bändigen mögten. Aber sie vergaßen, daß das Geisterreich das Reich der Freiheit im Guten und im Bösen sey; daß sie die Ele- mente durch ihre Willkühr dadurch körperlich nur be- herrschen, daß sie ihre Kraft gleichsam eintreten lassen in die allgemeine Naturkraft, und durch sie und in ihr nun die Körperwelt bestegen; daß aber das Wort un- mächtig abprallt von jenen Regionen, in denen die Naturkraft nicht mehr gebieten mag, und daß die Geister höherer Ordnung mehr noch der Beschwörung spotten, als der Mensch, und allenfalls nur das Thier sich ihr ge- horchend fügt. Was dumpfe, trübe, übermüthige Be- schränktheit vergangener Zeiten in diesem Felde ausge- brütet, das hat das vorliegende kleine Buch in Eins gesammelt, und der Unsinn ist häufig darin so weit getrieben, daß er als Ironie erscheint, und es den An- schein gewinnt, als wolle der Sammler sich über sein Publikum mockiren. So in dem Spruche gegen die Mundfäule: "Job zog über das Land, der hat den
Beſprechungen ſich ergießend. Es iſt ein wunderbar- liches Vertrauen, was die Menſchen ſo lange hin in die Macht des Wortes über die Elemente und das Geiſterreich geſetzt. Sie ſahen, wie ſie mimiſch in den untern Organen ihres Leibes die Materie bemeiſtern konnten; ſie ſchloſſen, daß ſie durch das höhere Organ gleichfalls wohl das Höhere bändigen mögten. Aber ſie vergaßen, daß das Geiſterreich das Reich der Freiheit im Guten und im Böſen ſey; daß ſie die Ele- mente durch ihre Willkühr dadurch körperlich nur be- herrſchen, daß ſie ihre Kraft gleichſam eintreten laſſen in die allgemeine Naturkraft, und durch ſie und in ihr nun die Körperwelt beſtegen; daß aber das Wort un- mächtig abprallt von jenen Regionen, in denen die Naturkraft nicht mehr gebieten mag, und daß die Geiſter hoͤherer Ordnung mehr noch der Beſchwörung ſpotten, als der Menſch, und allenfalls nur das Thier ſich ihr ge- horchend fügt. Was dumpfe, trübe, übermüthige Be- ſchränktheit vergangener Zeiten in dieſem Felde ausge- brütet, das hat das vorliegende kleine Buch in Eins geſammelt, und der Unſinn iſt häufig darin ſo weit getrieben, daß er als Ironie erſcheint, und es den An- ſchein gewinnt, als wolle der Sammler ſich über ſein Publikum mockiren. So in dem Spruche gegen die Mundfäule: „Job zog über das Land, der hat den
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Beſprechungen ſich ergießend. Es iſt ein wunderbar-
liches Vertrauen, was die Menſchen ſo lange hin in
die Macht des Wortes über die Elemente und das
Geiſterreich geſetzt. Sie ſahen, wie ſie mimiſch in den
untern Organen ihres Leibes die Materie bemeiſtern
konnten; ſie ſchloſſen, daß ſie durch das höhere Organ
gleichfalls wohl das Höhere bändigen mögten. Aber ſie
vergaßen, daß das Geiſterreich das Reich der
Freiheit im Guten und im Böſen ſey; daß ſie die Ele-
mente durch ihre Willkühr dadurch körperlich nur be-
herrſchen, daß ſie ihre Kraft gleichſam eintreten laſſen
in die allgemeine Naturkraft, und durch ſie und in ihr
nun die Körperwelt beſtegen; daß aber das Wort un-
mächtig abprallt von jenen Regionen, in denen die
Naturkraft nicht mehr gebieten mag, und daß die Geiſter
hoͤherer Ordnung mehr noch der Beſchwörung ſpotten,
als der Menſch, und allenfalls nur das Thier ſich ihr ge-
horchend fügt. Was dumpfe, trübe, übermüthige Be-
ſchränktheit vergangener Zeiten in dieſem Felde ausge-
brütet, das hat das vorliegende kleine Buch in Eins
geſammelt, und der Unſinn iſt häufig darin ſo weit
getrieben, daß er als Ironie erſcheint, und es den An-
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Publikum mockiren. So in dem Spruche gegen die
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/222>, abgerufen am 21.11.2024.
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