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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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wenn man ihn aber wegbrach, dann sollte die Stadt
versinken. Er stiftete auch Schulen dort, und las selbst
Nigromantie, und nachdem er noch viel Anderes voll-
bracht, wollte er wieder sich verjüngen, und nahm
seinen getreuesten Knecht, gieng mit ihm in sein Castell,
und gebot ihm, ihn in Stücken zu hauen, und alle
Gliedmaßen dann, den Kopf zu unterst, das Herz in die
Mitte, die Füße zu oberst in eine Tonne zu legen,
über der eine ewige Lampe brannte, und diese dann
jeden Tag zu erneuen, nach drei Wochen werde er
als Jüngling wieder auferstehen. Der Diener ließ sich
mit Mühe nur bereden, nachdem aber der Prozeß
sieben Tage fortgedauert hatte, vermißt der Kaiser
den Meister; er inquirirt auf den Diener, und dieser
muß ihn endlich nach vielem Widerstande in das Castell
einführen, das Metallriesen mit eisernen Dreschflegeln
bewachen; als man aber dort die Stücke in der Tonne
findet, wird der Diener als Mörder umgebracht, und
ein nacktes Kind wurde da gesehen, und rief vermaladeit
sey der Tag, wo ihr hergekommen, und verschwand.
Man sieht, wie Alles frischer, romantischer, südlicher,
als in dem Nordischen Faust ist, der mehr gegen das
Comische oder das Schreckliche hinneigt. Es ist, wie
mehrere Spuren andeuten, italiänischen Ursprungs,
und entweder unmittelbar von einem Italiäner, oder

wenn man ihn aber wegbrach, dann ſollte die Stadt
verſinken. Er ſtiftete auch Schulen dort, und las ſelbſt
Nigromantie, und nachdem er noch viel Anderes voll-
bracht, wollte er wieder ſich verjüngen, und nahm
ſeinen getreueſten Knecht, gieng mit ihm in ſein Caſtell,
und gebot ihm, ihn in Stücken zu hauen, und alle
Gliedmaßen dann, den Kopf zu unterſt, das Herz in die
Mitte, die Füße zu oberſt in eine Tonne zu legen,
über der eine ewige Lampe brannte, und dieſe dann
jeden Tag zu erneuen, nach drei Wochen werde er
als Jüngling wieder auferſtehen. Der Diener ließ ſich
mit Mühe nur bereden, nachdem aber der Prozeß
ſieben Tage fortgedauert hatte, vermißt der Kaiſer
den Meiſter; er inquirirt auf den Diener, und dieſer
muß ihn endlich nach vielem Widerſtande in das Caſtell
einführen, das Metallrieſen mit eiſernen Dreſchflegeln
bewachen; als man aber dort die Stücke in der Tonne
findet, wird der Diener als Mörder umgebracht, und
ein nacktes Kind wurde da geſehen, und rief vermaladeit
ſey der Tag, wo ihr hergekommen, und verſchwand.
Man ſieht, wie Alles friſcher, romantiſcher, ſüdlicher,
als in dem Nordiſchen Fauſt iſt, der mehr gegen das
Comiſche oder das Schreckliche hinneigt. Es iſt, wie
mehrere Spuren andeuten, italiäniſchen Urſprungs,
und entweder unmittelbar von einem Italiäner, oder

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[228/0246] wenn man ihn aber wegbrach, dann ſollte die Stadt verſinken. Er ſtiftete auch Schulen dort, und las ſelbſt Nigromantie, und nachdem er noch viel Anderes voll- bracht, wollte er wieder ſich verjüngen, und nahm ſeinen getreueſten Knecht, gieng mit ihm in ſein Caſtell, und gebot ihm, ihn in Stücken zu hauen, und alle Gliedmaßen dann, den Kopf zu unterſt, das Herz in die Mitte, die Füße zu oberſt in eine Tonne zu legen, über der eine ewige Lampe brannte, und dieſe dann jeden Tag zu erneuen, nach drei Wochen werde er als Jüngling wieder auferſtehen. Der Diener ließ ſich mit Mühe nur bereden, nachdem aber der Prozeß ſieben Tage fortgedauert hatte, vermißt der Kaiſer den Meiſter; er inquirirt auf den Diener, und dieſer muß ihn endlich nach vielem Widerſtande in das Caſtell einführen, das Metallrieſen mit eiſernen Dreſchflegeln bewachen; als man aber dort die Stücke in der Tonne findet, wird der Diener als Mörder umgebracht, und ein nacktes Kind wurde da geſehen, und rief vermaladeit ſey der Tag, wo ihr hergekommen, und verſchwand. Man ſieht, wie Alles friſcher, romantiſcher, ſüdlicher, als in dem Nordiſchen Fauſt iſt, der mehr gegen das Comiſche oder das Schreckliche hinneigt. Es iſt, wie mehrere Spuren andeuten, italiäniſchen Urſprungs, und entweder unmittelbar von einem Italiäner, oder

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/246>, abgerufen am 21.11.2024.