V. D. M. sammt einem Anhang für die Hebammen, in allen zustoßenden Fällen zu gebrauchen. Ganz neu gedruckt.
Keineswegs so verwerflich, als es auf den ersten oberflächlichen Blick wohl scheinen mögte. Ein alter, ehrlicher, wahrscheinlich schwäbischer oder schweitzeri- scher Arzt, der es herzlich gut mit dem Volke meint, unter dem er eine ausgebreitete Praxis gehabt zu ha- ben scheint, theilt hier seine Erfahrungen, seine Ent- deckungen und sogar seine Arcana in einer treuherzi- gen, gutmüthigen, altväterischen Sprache mit; eine Materia medica, nach den Hilfsmitteln des Volkes eingerichtet, eine Diätetik für das Verhalten bei den verschiedenen Krankheiten, und eine faßliche Patholo- gie der gewöhnlichen Zufälle, wie sie in den untern Ständen herrschen. Natürlich ist er Humeralpatholog aus der Schule des Hippocrates und Galenus; allein gerade diese Schule ist ihrer durchgängigen Plastizität wegen beynahe einzig auch für die populäre Darstel- lung geeignet. Gerade das Greifbare an der Krank- heit, ihr Leib und ihr äußerer Körper ist's, was der gemeine Mann an ihr begreift, und wenn er belehrt werden soll über sein Verhalten im sündhaften Zu- stande seines Organismus, dann muß die Sünde ihm
V. D. M. ſammt einem Anhang fuͤr die Hebammen, in allen zuſtoßenden Faͤllen zu gebrauchen. Ganz neu gedruckt.
Keineswegs ſo verwerflich, als es auf den erſten oberflächlichen Blick wohl ſcheinen mögte. Ein alter, ehrlicher, wahrſcheinlich ſchwäbiſcher oder ſchweitzeri- ſcher Arzt, der es herzlich gut mit dem Volke meint, unter dem er eine ausgebreitete Praxis gehabt zu ha- ben ſcheint, theilt hier ſeine Erfahrungen, ſeine Ent- deckungen und ſogar ſeine Arcana in einer treuherzi- gen, gutmüthigen, altväteriſchen Sprache mit; eine Materia medica, nach den Hilfsmitteln des Volkes eingerichtet, eine Diätetik für das Verhalten bei den verſchiedenen Krankheiten, und eine faßliche Patholo- gie der gewöhnlichen Zufälle, wie ſie in den untern Ständen herrſchen. Natürlich iſt er Humeralpatholog aus der Schule des Hippocrates und Galenus; allein gerade dieſe Schule iſt ihrer durchgängigen Plaſtizität wegen beynahe einzig auch für die populäre Darſtel- lung geeignet. Gerade das Greifbare an der Krank- heit, ihr Leib und ihr äußerer Körper iſt’s, was der gemeine Mann an ihr begreift, und wenn er belehrt werden ſoll über ſein Verhalten im ſündhaften Zu- ſtande ſeines Organismus, dann muß die Sünde ihm
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V. D. M. ſammt einem Anhang fuͤr die
Hebammen, in allen zuſtoßenden Faͤllen zu
gebrauchen. Ganz neu gedruckt.
Keineswegs ſo verwerflich, als es auf den erſten
oberflächlichen Blick wohl ſcheinen mögte. Ein alter,
ehrlicher, wahrſcheinlich ſchwäbiſcher oder ſchweitzeri-
ſcher Arzt, der es herzlich gut mit dem Volke meint,
unter dem er eine ausgebreitete Praxis gehabt zu ha-
ben ſcheint, theilt hier ſeine Erfahrungen, ſeine Ent-
deckungen und ſogar ſeine Arcana in einer treuherzi-
gen, gutmüthigen, altväteriſchen Sprache mit; eine
Materia medica, nach den Hilfsmitteln des Volkes
eingerichtet, eine Diätetik für das Verhalten bei den
verſchiedenen Krankheiten, und eine faßliche Patholo-
gie der gewöhnlichen Zufälle, wie ſie in den untern
Ständen herrſchen. Natürlich iſt er Humeralpatholog
aus der Schule des Hippocrates und Galenus; allein
gerade dieſe Schule iſt ihrer durchgängigen Plaſtizität
wegen beynahe einzig auch für die populäre Darſtel-
lung geeignet. Gerade das Greifbare an der Krank-
heit, ihr Leib und ihr äußerer Körper iſt’s, was der
gemeine Mann an ihr begreift, und wenn er belehrt
werden ſoll über ſein Verhalten im ſündhaften Zu-
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/49>, abgerufen am 21.11.2024.
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