die alte mythologische Ansicht, daß das Jahr gleich- sam mit dem Wintersolstitium gebohren werde, und daher in der zarten Jugend schon, wie am Menschen, die spätere Entwickelung sich spiegeln müsse, eine An- nahme, die, da sie der durchgängig cyklischen in sich gleichen Natur aller Himmelsbewegungen, in deren Wiederkehr das Jahr sich bildet, widerspricht, wissen- schaftlich unstatthaft ist, obgleich ein eigner poetischer Reiz, wie in allem Prophetischen, darin liegt. -- Dann von den zwölf Monathen des ganzen Jahrs mancher- lei Bauernregeln in Versen. Ferner Cisio Janus für die Layen. Mehrere Hexameter, dessen Worte jedesmal die ersten Silben der unbeweglichen Feste andeuten, die auf jeden Tag des Monaths fallen, und zwar so, daß die Zahl der ersten Silbe von dem Namen des Festes oder des ganzen Wortes, den Mo- natstag anzeigt, auf welchen dasselbe fällt. Der Rame selbst ist, wie Eschenburg im literarischen Anzeiger schon gezeigt, verstümmelt aus Circumcisio Ianuarii, weil das Beschneidungsfest als das Erste, das Jahr eröffnet; der Cisio janus aber lateinisch, schon am Anfange des vierzehnten Jahrhunderts in der römischen Kirche herrschend, und in der Folge von Melanchthon verbessert, teutsch aber gedruckt schon um 1470 vor- kommend. Der gegenwärtige ist oft artig, leicht und
die alte mythologiſche Anſicht, daß das Jahr gleich- ſam mit dem Winterſolſtitium gebohren werde, und daher in der zarten Jugend ſchon, wie am Menſchen, die ſpätere Entwickelung ſich ſpiegeln müſſe, eine An- nahme, die, da ſie der durchgängig cykliſchen in ſich gleichen Natur aller Himmelsbewegungen, in deren Wiederkehr das Jahr ſich bildet, widerſpricht, wiſſen- ſchaftlich unſtatthaft iſt, obgleich ein eigner poetiſcher Reiz, wie in allem Prophetiſchen, darin liegt. — Dann von den zwölf Monathen des ganzen Jahrs mancher- lei Bauernregeln in Verſen. Ferner Cisio Janus für die Layen. Mehrere Hexameter, deſſen Worte jedesmal die erſten Silben der unbeweglichen Feſte andeuten, die auf jeden Tag des Monaths fallen, und zwar ſo, daß die Zahl der erſten Silbe von dem Namen des Feſtes oder des ganzen Wortes, den Mo- natstag anzeigt, auf welchen daſſelbe fällt. Der Rame ſelbſt iſt, wie Eſchenburg im literariſchen Anzeiger ſchon gezeigt, verſtümmelt aus Circumcisio Ianuarii, weil das Beſchneidungsfeſt als das Erſte, das Jahr eröffnet; der Cisio janus aber lateiniſch, ſchon am Anfange des vierzehnten Jahrhunderts in der römiſchen Kirche herrſchend, und in der Folge von Melanchthon verbeſſert, teutſch aber gedruckt ſchon um 1470 vor- kommend. Der gegenwärtige iſt oft artig, leicht und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0054"n="36"/>
die alte mythologiſche Anſicht, daß das Jahr gleich-<lb/>ſam mit dem Winterſolſtitium gebohren werde, und<lb/>
daher in der zarten Jugend ſchon, wie am Menſchen,<lb/>
die ſpätere Entwickelung ſich ſpiegeln müſſe, eine An-<lb/>
nahme, die, da ſie der durchgängig cykliſchen in ſich<lb/>
gleichen Natur aller Himmelsbewegungen, in deren<lb/>
Wiederkehr das Jahr ſich bildet, widerſpricht, wiſſen-<lb/>ſchaftlich unſtatthaft iſt, obgleich ein eigner poetiſcher<lb/>
Reiz, wie in allem Prophetiſchen, darin liegt. — Dann<lb/>
von den zwölf Monathen des ganzen Jahrs mancher-<lb/>
lei Bauernregeln in Verſen. Ferner <hirendition="#aq">Cisio Janus</hi><lb/>
für die Layen. Mehrere Hexameter, deſſen Worte<lb/>
jedesmal die erſten Silben der unbeweglichen Feſte<lb/>
andeuten, die auf jeden Tag des Monaths fallen,<lb/>
und zwar ſo, daß die Zahl der erſten Silbe von dem<lb/>
Namen des Feſtes oder des ganzen Wortes, den Mo-<lb/>
natstag anzeigt, auf welchen daſſelbe fällt. Der Rame<lb/>ſelbſt iſt, wie Eſchenburg im literariſchen Anzeiger<lb/>ſchon gezeigt, verſtümmelt aus <hirendition="#aq">Circumcisio Ianuarii,</hi><lb/>
weil das Beſchneidungsfeſt als das Erſte, das Jahr<lb/>
eröffnet; der <hirendition="#aq">Cisio janus</hi> aber lateiniſch, ſchon am<lb/>
Anfange des vierzehnten Jahrhunderts in der römiſchen<lb/>
Kirche herrſchend, und in der Folge von Melanchthon<lb/>
verbeſſert, teutſch aber gedruckt ſchon um 1470 vor-<lb/>
kommend. Der gegenwärtige iſt oft artig, leicht und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[36/0054]
die alte mythologiſche Anſicht, daß das Jahr gleich-
ſam mit dem Winterſolſtitium gebohren werde, und
daher in der zarten Jugend ſchon, wie am Menſchen,
die ſpätere Entwickelung ſich ſpiegeln müſſe, eine An-
nahme, die, da ſie der durchgängig cykliſchen in ſich
gleichen Natur aller Himmelsbewegungen, in deren
Wiederkehr das Jahr ſich bildet, widerſpricht, wiſſen-
ſchaftlich unſtatthaft iſt, obgleich ein eigner poetiſcher
Reiz, wie in allem Prophetiſchen, darin liegt. — Dann
von den zwölf Monathen des ganzen Jahrs mancher-
lei Bauernregeln in Verſen. Ferner Cisio Janus
für die Layen. Mehrere Hexameter, deſſen Worte
jedesmal die erſten Silben der unbeweglichen Feſte
andeuten, die auf jeden Tag des Monaths fallen,
und zwar ſo, daß die Zahl der erſten Silbe von dem
Namen des Feſtes oder des ganzen Wortes, den Mo-
natstag anzeigt, auf welchen daſſelbe fällt. Der Rame
ſelbſt iſt, wie Eſchenburg im literariſchen Anzeiger
ſchon gezeigt, verſtümmelt aus Circumcisio Ianuarii,
weil das Beſchneidungsfeſt als das Erſte, das Jahr
eröffnet; der Cisio janus aber lateiniſch, ſchon am
Anfange des vierzehnten Jahrhunderts in der römiſchen
Kirche herrſchend, und in der Folge von Melanchthon
verbeſſert, teutſch aber gedruckt ſchon um 1470 vor-
kommend. Der gegenwärtige iſt oft artig, leicht und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/54>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.