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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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Rede, eine Leichtigkeit in dem freilich einfachen Vers-
bau, eine Ungezwungenheit im Reim, und dabei eine
innere Vollendung und äußere Abglättung, die auf
ein in bestimmtem Bewußtseyn durch höhere Bildung
producirtes Kunstwerk der neuern Zeit schließen lassen
sollte, wenn andere Kennzeichen nicht verriethen, daß
es einer frühern Zeit, und der Name des Verfassers, daß
es dem Müllergewerke selbst angehöre. Der Verfasser, arm
und unvermögend, sagt in einem Liede von sich:

Bei meinem Beruf und Stande,
Will ich geduldig seyn,
Im ganzen Sachsenlande,
Bleibt mein Gedächtniß rein,
Von Niedercolmitz in Meißen,
Schreib ich mich noch zur Zeit,
Thu mich darbey befleißen,
Auf Ehr und Nedlichkeit,
Gott der mich hat erschaffen,
Steh ich zu Dienst allein,
Wer mich will Lügen strafen,
Der thuts aus falschem Schein.

Die Schrift fängt an wie ein Gedicht, über die
Natur der Dinge, mit einem Holzschnitte, worauf
einerseits ein Stangen-Zirkel abgebildet ist, von

Rede, eine Leichtigkeit in dem freilich einfachen Vers-
bau, eine Ungezwungenheit im Reim, und dabei eine
innere Vollendung und äußere Abglättung, die auf
ein in beſtimmtem Bewußtſeyn durch höhere Bildung
producirtes Kunſtwerk der neuern Zeit ſchließen laſſen
ſollte, wenn andere Kennzeichen nicht verriethen, daß
es einer frühern Zeit, und der Name des Verfaſſers, daß
es dem Müllergewerke ſelbſt angehöre. Der Verfaſſer, arm
und unvermögend, ſagt in einem Liede von ſich:

Bei meinem Beruf und Stande,
Will ich geduldig ſeyn,
Im ganzen Sachſenlande,
Bleibt mein Gedächtniß rein,
Von Niedercolmitz in Meißen,
Schreib ich mich noch zur Zeit,
Thu mich darbey befleißen,
Auf Ehr und Nedlichkeit,
Gott der mich hat erſchaffen,
Steh ich zu Dienſt allein,
Wer mich will Lügen ſtrafen,
Der thuts aus falſchem Schein.

Die Schrift fängt an wie ein Gedicht, über die
Natur der Dinge, mit einem Holzſchnitte, worauf
einerſeits ein Stangen-Zirkel abgebildet iſt, von

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[44/0062] Rede, eine Leichtigkeit in dem freilich einfachen Vers- bau, eine Ungezwungenheit im Reim, und dabei eine innere Vollendung und äußere Abglättung, die auf ein in beſtimmtem Bewußtſeyn durch höhere Bildung producirtes Kunſtwerk der neuern Zeit ſchließen laſſen ſollte, wenn andere Kennzeichen nicht verriethen, daß es einer frühern Zeit, und der Name des Verfaſſers, daß es dem Müllergewerke ſelbſt angehöre. Der Verfaſſer, arm und unvermögend, ſagt in einem Liede von ſich: Bei meinem Beruf und Stande, Will ich geduldig ſeyn, Im ganzen Sachſenlande, Bleibt mein Gedächtniß rein, Von Niedercolmitz in Meißen, Schreib ich mich noch zur Zeit, Thu mich darbey befleißen, Auf Ehr und Nedlichkeit, Gott der mich hat erſchaffen, Steh ich zu Dienſt allein, Wer mich will Lügen ſtrafen, Der thuts aus falſchem Schein. Die Schrift fängt an wie ein Gedicht, über die Natur der Dinge, mit einem Holzſchnitte, worauf einerſeits ein Stangen-Zirkel abgebildet iſt, von

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/62>, abgerufen am 24.11.2024.