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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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reiste im Jahre 1322 von St. Alban aus, kam in Aegyp-
ten in die Dienste des Sultans Melek Madarons; er
diente ihm in seinen Kriegen, und dieser gewann ihn
lieb, und wollte ihn durch Verheyrathen an sich fesseln;
er schlug es indessen aus, weil er die Religion hätte
wechseln müssen. Bei dem großen Landverkehr, der
damal durch die Häfen des mittelländischen Meeres
mit Indien gerrieben wurde, kam es ihm in den Sinn,
auch dieß Land zu besuchen, und er führte den Einfall
aus, und er und vier Andere mit ihren Knechten dienten
dem Chan von Chatay Thiaut fünfzehn Monate lang in
seinem Kriege gegen den König von Manthi, und das
allein, wie er sagt, um den Reichthum, die Ordnung
und das Regiment seines Staates zu besehen. Er er-
zählt, wie er durch seine Beobachtungen am Astrolab
gefunden habe, daß er auf diesen Reisen von der Hälfte
der Erdoberfläche von 180° nordwärts 72° gesehen habe,
und überdem 33 Grade von dem südlichen Quadranten,
"und hätten wir Schiffe gefunden und Gesellschaft um
weiter zu gehen, ich meine, sagt er, wir hätten die
Rundheit der Erde umfahren." Nach vielen Jahren
kehrte er zurück, und schrieb nun bey eintretender
Kränklichkeit drei und dreißig Jahre nach seiner Ausreise
1355 die Reise. Aber über ein halbes Jahrhundert war
ihm der Venetianer Marco Polo darin zuvorgekommen.

reiſte im Jahre 1322 von St. Alban aus, kam in Aegyp-
ten in die Dienſte des Sultans Melek Madarons; er
diente ihm in ſeinen Kriegen, und dieſer gewann ihn
lieb, und wollte ihn durch Verheyrathen an ſich feſſeln;
er ſchlug es indeſſen aus, weil er die Religion hätte
wechſeln müſſen. Bei dem großen Landverkehr, der
damal durch die Häfen des mittelländiſchen Meeres
mit Indien gerrieben wurde, kam es ihm in den Sinn,
auch dieß Land zu beſuchen, und er führte den Einfall
aus, und er und vier Andere mit ihren Knechten dienten
dem Chan von Chatay Thiaut fünfzehn Monate lang in
ſeinem Kriege gegen den König von Manthi, und das
allein, wie er ſagt, um den Reichthum, die Ordnung
und das Regiment ſeines Staates zu beſehen. Er er-
zählt, wie er durch ſeine Beobachtungen am Aſtrolab
gefunden habe, daß er auf dieſen Reiſen von der Hälfte
der Erdoberfläche von 180° nordwärts 72° geſehen habe,
und überdem 33 Grade von dem ſüdlichen Quadranten,
„und hätten wir Schiffe gefunden und Geſellſchaft um
weiter zu gehen, ich meine, ſagt er, wir hätten die
Rundheit der Erde umfahren.“ Nach vielen Jahren
kehrte er zurück, und ſchrieb nun bey eintretender
Kränklichkeit drei und dreißig Jahre nach ſeiner Ausreiſe
1355 die Reiſe. Aber über ein halbes Jahrhundert war
ihm der Venetianer Marco Polo darin zuvorgekommen.

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[63/0081] reiſte im Jahre 1322 von St. Alban aus, kam in Aegyp- ten in die Dienſte des Sultans Melek Madarons; er diente ihm in ſeinen Kriegen, und dieſer gewann ihn lieb, und wollte ihn durch Verheyrathen an ſich feſſeln; er ſchlug es indeſſen aus, weil er die Religion hätte wechſeln müſſen. Bei dem großen Landverkehr, der damal durch die Häfen des mittelländiſchen Meeres mit Indien gerrieben wurde, kam es ihm in den Sinn, auch dieß Land zu beſuchen, und er führte den Einfall aus, und er und vier Andere mit ihren Knechten dienten dem Chan von Chatay Thiaut fünfzehn Monate lang in ſeinem Kriege gegen den König von Manthi, und das allein, wie er ſagt, um den Reichthum, die Ordnung und das Regiment ſeines Staates zu beſehen. Er er- zählt, wie er durch ſeine Beobachtungen am Aſtrolab gefunden habe, daß er auf dieſen Reiſen von der Hälfte der Erdoberfläche von 180° nordwärts 72° geſehen habe, und überdem 33 Grade von dem ſüdlichen Quadranten, „und hätten wir Schiffe gefunden und Geſellſchaft um weiter zu gehen, ich meine, ſagt er, wir hätten die Rundheit der Erde umfahren.“ Nach vielen Jahren kehrte er zurück, und ſchrieb nun bey eintretender Kränklichkeit drei und dreißig Jahre nach ſeiner Ausreiſe 1355 die Reiſe. Aber über ein halbes Jahrhundert war ihm der Venetianer Marco Polo darin zuvorgekommen.

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/81>, abgerufen am 24.11.2024.