Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.tische Gottesverehrung ward jene unglaub- Eine so zarte Religion, gegründet auf Da diese Religion jedoch zur Beschau- tische Gottesverehrung ward jene unglaub- Eine so zarte Religion, gegründet auf Da diese Religion jedoch zur Beschau- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0276" n="266"/> tische Gottesverehrung ward jene unglaub-<lb/> liche Bevölkerung möglich, von der die Ge-<lb/> schichte ein Zeugniſs giebt.</p><lb/> <p>Eine so zarte Religion, gegründet auf<lb/> die Allgegenwart Gottes in seinen Werken<lb/> der Sinnenwelt, muſs einen eignen Einfluſs<lb/> auf die Sitten ausüben. Man betrachte ihre<lb/> Hauptgebote und Verbote: nicht lügen,<lb/> keine Schulden machen, nicht undankbar<lb/> seyn! die Fruchtbarkeit dieser Lehren wird<lb/> sich jeder Ethiker und Ascete leicht entwi-<lb/> ckeln. Denn eigentlich enthält das erste<lb/> Verbot die beyden andern und alle übrigen,<lb/> die doch eigentlich nur aus Unwahrheit und<lb/> Untreue entspringen; und daher mag der<lb/> Teufel im Orient bloſs unter Beziehung des<lb/> ewigen Lügners angedeutet werden.</p><lb/> <p>Da diese Religion jedoch zur Beschau-<lb/> lichkeit führt, so könnte sie leicht zur<lb/> Weichlichkeit verleiten, so wie denn in<lb/> den langen und weiten Kleidern auch et-<lb/> was Weibliches angedeutet scheint. Doch<lb/> war auch in ihren Sitten und Verfassungen<lb/> die Gegenwirkung groſs. Sie trugen Waf-<lb/> fen, auch im Frieden und geselligen Leben,<lb/> und übten sich im Gebrauch derselben auf<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [266/0276]
tische Gottesverehrung ward jene unglaub-
liche Bevölkerung möglich, von der die Ge-
schichte ein Zeugniſs giebt.
Eine so zarte Religion, gegründet auf
die Allgegenwart Gottes in seinen Werken
der Sinnenwelt, muſs einen eignen Einfluſs
auf die Sitten ausüben. Man betrachte ihre
Hauptgebote und Verbote: nicht lügen,
keine Schulden machen, nicht undankbar
seyn! die Fruchtbarkeit dieser Lehren wird
sich jeder Ethiker und Ascete leicht entwi-
ckeln. Denn eigentlich enthält das erste
Verbot die beyden andern und alle übrigen,
die doch eigentlich nur aus Unwahrheit und
Untreue entspringen; und daher mag der
Teufel im Orient bloſs unter Beziehung des
ewigen Lügners angedeutet werden.
Da diese Religion jedoch zur Beschau-
lichkeit führt, so könnte sie leicht zur
Weichlichkeit verleiten, so wie denn in
den langen und weiten Kleidern auch et-
was Weibliches angedeutet scheint. Doch
war auch in ihren Sitten und Verfassungen
die Gegenwirkung groſs. Sie trugen Waf-
fen, auch im Frieden und geselligen Leben,
und übten sich im Gebrauch derselben auf
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