zeigt sich als bedeutender General, treuer Statthalter wichtiger Provinzen. Die ange- masste Gottheit des Monarchen kann er nicht billigen; er hat ihn herankommen se- hen, dienst- und hülfsbedürftig gekannt; einen innern hypochondrischen Widerwillen mag er nähren, seine Verdienste vielleicht zu hoch anschlagen.
Die Tischgespräche an Alexanders Ta- fel mögen immer von grosser Bedeutung ge- wesen seyn, alle Gäste waren tüchtige, ge- bildete Männer, alle zur Zeit des höchsten Rednerglanzes in Griechenland geboren. Gewöhnlich mochte man sich nüchterner Weise bedeutende Probleme aufgeben, wählen, oder zufällig ergreifen und solche sophistisch-rednerisch mit ziemlichem Be- wusstseyn gegeneinander behaupten. Wenn denn aber doch ein jeder die Parthey ver- theidigte der er zugethan war, Trunk und Leidenschaft sich wechselsweise steigerten; so musste es zuletzt zu gewaltsamen Scenen hinauslaufen. Auf diesem Wege begegnen wir der Vermuthung dass der Brand von Persepolis nicht bloss aus einer rohen, ab- surden Völlerey entglommen sey, vielmehr
23 *
zeigt sich als bedeutender General, treuer Statthalter wichtiger Provinzen. Die ange- maſste Gottheit des Monarchen kann er nicht billigen; er hat ihn herankommen se- hen, dienst- und hülfsbedürftig gekannt; einen innern hypochondrischen Widerwillen mag er nähren, seine Verdienste vielleicht zu hoch anschlagen.
Die Tischgespräche an Alexanders Ta- fel mögen immer von groſser Bedeutung ge- wesen seyn, alle Gäste waren tüchtige, ge- bildete Männer, alle zur Zeit des höchsten Rednerglanzes in Griechenland geboren. Gewöhnlich mochte man sich nüchterner Weise bedeutende Probleme aufgeben, wählen, oder zufällig ergreifen und solche sophistisch-rednerisch mit ziemlichem Be- wuſstseyn gegeneinander behaupten. Wenn denn aber doch ein jeder die Parthey ver- theidigte der er zugethan war, Trunk und Leidenschaft sich wechselsweise steigerten; so muſste es zuletzt zu gewaltsamen Scenen hinauslaufen. Auf diesem Wege begegnen wir der Vermuthung daſs der Brand von Persepolis nicht bloſs aus einer rohen, ab- surden Völlerey entglommen sey, vielmehr
23 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0365"n="355"/>
zeigt sich als bedeutender General, treuer<lb/>
Statthalter wichtiger Provinzen. Die ange-<lb/>
maſste Gottheit des Monarchen kann er<lb/>
nicht billigen; er hat ihn herankommen se-<lb/>
hen, dienst- und hülfsbedürftig gekannt;<lb/>
einen innern hypochondrischen Widerwillen<lb/>
mag er nähren, seine Verdienste vielleicht<lb/>
zu hoch anschlagen.</p><lb/><p>Die Tischgespräche an Alexanders Ta-<lb/>
fel mögen immer von groſser Bedeutung ge-<lb/>
wesen seyn, alle Gäste waren tüchtige, ge-<lb/>
bildete Männer, alle zur Zeit des höchsten<lb/>
Rednerglanzes in Griechenland geboren.<lb/>
Gewöhnlich mochte man sich nüchterner<lb/>
Weise bedeutende Probleme aufgeben,<lb/>
wählen, oder zufällig ergreifen und solche<lb/>
sophistisch-rednerisch mit ziemlichem Be-<lb/>
wuſstseyn gegeneinander behaupten. Wenn<lb/>
denn aber doch ein jeder die Parthey ver-<lb/>
theidigte der er zugethan war, Trunk und<lb/>
Leidenschaft sich wechselsweise steigerten;<lb/>
so muſste es zuletzt zu gewaltsamen Scenen<lb/>
hinauslaufen. Auf diesem Wege begegnen<lb/>
wir der Vermuthung daſs der Brand von<lb/>
Persepolis nicht bloſs aus einer rohen, ab-<lb/>
surden Völlerey entglommen sey, vielmehr<lb/><fwplace="bottom"type="sig">23 *</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[355/0365]
zeigt sich als bedeutender General, treuer
Statthalter wichtiger Provinzen. Die ange-
maſste Gottheit des Monarchen kann er
nicht billigen; er hat ihn herankommen se-
hen, dienst- und hülfsbedürftig gekannt;
einen innern hypochondrischen Widerwillen
mag er nähren, seine Verdienste vielleicht
zu hoch anschlagen.
Die Tischgespräche an Alexanders Ta-
fel mögen immer von groſser Bedeutung ge-
wesen seyn, alle Gäste waren tüchtige, ge-
bildete Männer, alle zur Zeit des höchsten
Rednerglanzes in Griechenland geboren.
Gewöhnlich mochte man sich nüchterner
Weise bedeutende Probleme aufgeben,
wählen, oder zufällig ergreifen und solche
sophistisch-rednerisch mit ziemlichem Be-
wuſstseyn gegeneinander behaupten. Wenn
denn aber doch ein jeder die Parthey ver-
theidigte der er zugethan war, Trunk und
Leidenschaft sich wechselsweise steigerten;
so muſste es zuletzt zu gewaltsamen Scenen
hinauslaufen. Auf diesem Wege begegnen
wir der Vermuthung daſs der Brand von
Persepolis nicht bloſs aus einer rohen, ab-
surden Völlerey entglommen sey, vielmehr
23 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/365>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.