Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

Himmel mit der Erde und bereitet ein den
Menschen gegönntes Paradies. Dagegen ist
der Unmuth stets egoistisch, er besteht auf
Forderungen, deren Gewährung ihm aussen
blieb; er ist anmasslich, abstossend und er-
freut niemand, selbst diejenigen kaum die
von gleichem Gefühl ergriffen sind. Dem-
ungeachtet aber kann der Mensch solche
Explosionen nicht immer zurückhalten, ja
er thut wohl, wenn er seinem Verdruss,
besonders über verhinderte, gestörte Thätig-
keit, auf diese Weise Luft zu machen trach-
tet. Schon jetzt hätte dies Buch viel stär-
ker und reicher seyn sollen; doch haben
wir manches, um alle Missstimmung zu
verhüten, bey Seite gelegt. Wie wir denn
hierbey bemerken dass dergleichen Äusse-
rungen, welche für den Augenblick bedenk-
lich scheinen, in der Folge aber, als unver-
fänglich, mit Heiterkeit und Wohlwollen
aufgenommen werden, unter der Rubrik
Paralipomena künftigen Jahren aufge-
spart worden.

Dagegen ergreifen wir diese Gelegen-
heit von der Anmassung zu reden, und zwar
vorerst, wie sie im Orient zur Erscheinung

Himmel mit der Erde und bereitet ein den
Menschen gegönntes Paradies. Dagegen ist
der Unmuth stets egoistisch, er besteht auf
Forderungen, deren Gewährung ihm auſsen
blieb; er ist anmaſslich, abstoſsend und er-
freut niemand, selbst diejenigen kaum die
von gleichem Gefühl ergriffen sind. Dem-
ungeachtet aber kann der Mensch solche
Explosionen nicht immer zurückhalten, ja
er thut wohl, wenn er seinem Verdruſs,
besonders über verhinderte, gestörte Thätig-
keit, auf diese Weise Luft zu machen trach-
tet. Schon jetzt hätte dies Buch viel stär-
ker und reicher seyn sollen; doch haben
wir manches, um alle Miſsstimmung zu
verhüten, bey Seite gelegt. Wie wir denn
hierbey bemerken daſs dergleichen Äuſse-
rungen, welche für den Augenblick bedenk-
lich scheinen, in der Folge aber, als unver-
fänglich, mit Heiterkeit und Wohlwollen
aufgenommen werden, unter der Rubrik
Paralipomena künftigen Jahren aufge-
spart worden.

Dagegen ergreifen wir diese Gelegen-
heit von der Anmaſsung zu reden, und zwar
vorerst, wie sie im Orient zur Erscheinung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0415" n="403[405]"/>
Himmel mit der Erde und bereitet ein den<lb/>
Menschen gegönntes Paradies. Dagegen ist<lb/>
der Unmuth stets egoistisch, er besteht auf<lb/>
Forderungen, deren Gewährung ihm au&#x017F;sen<lb/>
blieb; er ist anma&#x017F;slich, absto&#x017F;send und er-<lb/>
freut niemand, selbst diejenigen kaum die<lb/>
von gleichem Gefühl ergriffen sind. Dem-<lb/>
ungeachtet aber kann der Mensch solche<lb/>
Explosionen nicht immer zurückhalten, ja<lb/>
er thut wohl, wenn er seinem Verdru&#x017F;s,<lb/>
besonders über verhinderte, gestörte Thätig-<lb/>
keit, auf diese Weise Luft zu machen trach-<lb/>
tet. Schon jetzt hätte dies Buch viel stär-<lb/>
ker und reicher seyn sollen; doch haben<lb/>
wir manches, um alle Mi&#x017F;sstimmung zu<lb/>
verhüten, bey Seite gelegt. Wie wir denn<lb/>
hierbey bemerken da&#x017F;s dergleichen Äu&#x017F;se-<lb/>
rungen, welche für den Augenblick bedenk-<lb/>
lich scheinen, in der Folge aber, als unver-<lb/>
fänglich, mit Heiterkeit und Wohlwollen<lb/>
aufgenommen werden, unter der Rubrik<lb/><hi rendition="#g">Paralipomena</hi> künftigen Jahren aufge-<lb/>
spart worden.</p><lb/>
          <p>Dagegen ergreifen wir diese Gelegen-<lb/>
heit von der Anma&#x017F;sung zu reden, und zwar<lb/>
vorerst, wie sie im Orient zur Erscheinung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[403[405]/0415] Himmel mit der Erde und bereitet ein den Menschen gegönntes Paradies. Dagegen ist der Unmuth stets egoistisch, er besteht auf Forderungen, deren Gewährung ihm auſsen blieb; er ist anmaſslich, abstoſsend und er- freut niemand, selbst diejenigen kaum die von gleichem Gefühl ergriffen sind. Dem- ungeachtet aber kann der Mensch solche Explosionen nicht immer zurückhalten, ja er thut wohl, wenn er seinem Verdruſs, besonders über verhinderte, gestörte Thätig- keit, auf diese Weise Luft zu machen trach- tet. Schon jetzt hätte dies Buch viel stär- ker und reicher seyn sollen; doch haben wir manches, um alle Miſsstimmung zu verhüten, bey Seite gelegt. Wie wir denn hierbey bemerken daſs dergleichen Äuſse- rungen, welche für den Augenblick bedenk- lich scheinen, in der Folge aber, als unver- fänglich, mit Heiterkeit und Wohlwollen aufgenommen werden, unter der Rubrik Paralipomena künftigen Jahren aufge- spart worden. Dagegen ergreifen wir diese Gelegen- heit von der Anmaſsung zu reden, und zwar vorerst, wie sie im Orient zur Erscheinung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/415
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 403[405]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/415>, abgerufen am 22.12.2024.