gegenwärtig nicht in der Lage bin, jene Studien nochmals vorzunehmen, sondern was ich hieraus aufzustellen gedenke, aus frühere nund späteren Papieren, wie es der Augenblick erlaubt, zusammentrage. Zwey Dinge sind es daher, auf die ich die Auf- merksamkeit meiner Leser zu richten wünsch- te. Erstlich, auf die Entwickelung der ganzen Begebenheit dieses wunderlichen Zugs aus dem Charakter des Feldherrn, der Anfangs nicht in dem günstigsten Lichte erscheint, und zweytens auf die Vermu- thung, dass der Zug keine vierzig, sondern kaum zwey Jahre gedauert; wodurch denn eben der Feldherr, dessen Betragen wir zuerst tadeln mussten, wieder gerechtfer- tigt und zu Ehren gebracht, zugleich aber auch die Ehre des Nationalgottes gegen den Unglimpf einer Härte, die noch uner- freulicher ist als die Halsstarrigkeit eines Volks, gerettet und beynah in seiner frü- hern Reinheit wieder hergestellt wird.
Erinnern wir uns nun zuerst des Israe- litischen Volkes in Aegypten, an dessen bedrängter Lage die späteste Nachwelt auf- gerufen ist Theil zu nehmen. Unter diesem
gegenwärtig nicht in der Lage bin, jene Studien nochmals vorzunehmen, sondern was ich hieraus aufzustellen gedenke, aus frühere nund späteren Papieren, wie es der Augenblick erlaubt, zusammentrage. Zwey Dinge sind es daher, auf die ich die Auf- merksamkeit meiner Leser zu richten wünsch- te. Erstlich, auf die Entwickelung der ganzen Begebenheit dieses wunderlichen Zugs aus dem Charakter des Feldherrn, der Anfangs nicht in dem günstigsten Lichte erscheint, und zweytens auf die Vermu- thung, daſs der Zug keine vierzig, sondern kaum zwey Jahre gedauert; wodurch denn eben der Feldherr, dessen Betragen wir zuerst tadeln muſsten, wieder gerechtfer- tigt und zu Ehren gebracht, zugleich aber auch die Ehre des Nationalgottes gegen den Unglimpf einer Härte, die noch uner- freulicher ist als die Halsstarrigkeit eines Volks, gerettet und beynah in seiner frü- hern Reinheit wieder hergestellt wird.
Erinnern wir uns nun zuerst des Israe- litischen Volkes in Aegypten, an dessen bedrängter Lage die späteste Nachwelt auf- gerufen ist Theil zu nehmen. Unter diesem
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[428[430]/0440]
gegenwärtig nicht in der Lage bin, jene
Studien nochmals vorzunehmen, sondern
was ich hieraus aufzustellen gedenke, aus
frühere nund späteren Papieren, wie es der
Augenblick erlaubt, zusammentrage. Zwey
Dinge sind es daher, auf die ich die Auf-
merksamkeit meiner Leser zu richten wünsch-
te. Erstlich, auf die Entwickelung der
ganzen Begebenheit dieses wunderlichen
Zugs aus dem Charakter des Feldherrn, der
Anfangs nicht in dem günstigsten Lichte
erscheint, und zweytens auf die Vermu-
thung, daſs der Zug keine vierzig, sondern
kaum zwey Jahre gedauert; wodurch denn
eben der Feldherr, dessen Betragen wir
zuerst tadeln muſsten, wieder gerechtfer-
tigt und zu Ehren gebracht, zugleich aber
auch die Ehre des Nationalgottes gegen
den Unglimpf einer Härte, die noch uner-
freulicher ist als die Halsstarrigkeit eines
Volks, gerettet und beynah in seiner frü-
hern Reinheit wieder hergestellt wird.
Erinnern wir uns nun zuerst des Israe-
litischen Volkes in Aegypten, an dessen
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 428[430]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/440>, abgerufen am 22.12.2024.
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