Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

dianiter verleitet zu seyn, wie wir zu-
nächst wahrscheinlich zu machen gedenken,
wenn wir vorher von der düsteren Stim-
mung gesprochen haben, in die uns die
Darstellung der, diesen Zug begleitenden,
äusseren Umstände versetzt.

Der heitere Nachthimmel, von unend-
lichen Sternen glühend, auf welchen Abra-
ham von seinem Gott hingewiesen worden,
breitet nicht mehr sein goldenes Gezelt
über uns aus; anstatt jenen heiteren Him-
melslichtern zu gleichen, bewegt sich ein
unzählbares Volk, missmuthig in einer trau-
rigen Wüste. Alle fröhlichen Phänomene
sind verschwunden, nur Feuerflammen er-
scheinen an allen Ecken und Enden. Der
Herr, der aus einem brennenden Busche
Mosen berufen hatte, zieht nun vor der
Masse her, in einem trüben Gluthqualm,
den man Tags für eine Wolkensäule, Nachts
als ein Feuermeteor ansprechen kann. Aus
dem umwölkten Gipfel Sinai's schrecken
Blitz und Donner, und bey gering schei-
nenden Vergehen brechen Flammen aus dem
Boden und verzehren die Enden des Lagers.
Speise und Trank ermangeln immer aufs

dianiter verleitet zu seyn, wie wir zu-
nächst wahrscheinlich zu machen gedenken,
wenn wir vorher von der düsteren Stim-
mung gesprochen haben, in die uns die
Darstellung der, diesen Zug begleitenden,
äuſseren Umstände versetzt.

Der heitere Nachthimmel, von unend-
lichen Sternen glühend, auf welchen Abra-
ham von seinem Gott hingewiesen worden,
breitet nicht mehr sein goldenes Gezelt
über uns aus; anstatt jenen heiteren Him-
melslichtern zu gleichen, bewegt sich ein
unzählbares Volk, miſsmuthig in einer trau-
rigen Wüste. Alle fröhlichen Phänomene
sind verschwunden, nur Feuerflammen er-
scheinen an allen Ecken und Enden. Der
Herr, der aus einem brennenden Busche
Mosen berufen hatte, zieht nun vor der
Masse her, in einem trüben Gluthqualm,
den man Tags für eine Wolkensäule, Nachts
als ein Feuermeteor ansprechen kann. Aus
dem umwölkten Gipfel Sinai’s schrecken
Blitz und Donner, und bey gering schei-
nenden Vergehen brechen Flammen aus dem
Boden und verzehren die Enden des Lagers.
Speise und Trank ermangeln immer aufs

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0447" n="435[437]"/>
dianiter verleitet zu seyn, wie wir zu-<lb/>
nächst wahrscheinlich zu machen gedenken,<lb/>
wenn wir vorher von der düsteren Stim-<lb/>
mung gesprochen haben, in die uns die<lb/>
Darstellung der, diesen Zug begleitenden,<lb/>
äu&#x017F;seren Umstände versetzt.</p><lb/>
          <p>Der heitere Nachthimmel, von unend-<lb/>
lichen Sternen glühend, auf welchen Abra-<lb/>
ham von seinem Gott hingewiesen worden,<lb/>
breitet nicht mehr sein goldenes Gezelt<lb/>
über uns aus; anstatt jenen heiteren Him-<lb/>
melslichtern zu gleichen, bewegt sich ein<lb/>
unzählbares Volk, mi&#x017F;smuthig in einer trau-<lb/>
rigen Wüste. Alle fröhlichen Phänomene<lb/>
sind verschwunden, nur Feuerflammen er-<lb/>
scheinen an allen Ecken und Enden. Der<lb/>
Herr, der aus einem brennenden Busche<lb/>
Mosen berufen hatte, zieht nun vor der<lb/>
Masse her, in einem trüben Gluthqualm,<lb/>
den man Tags für eine Wolkensäule, Nachts<lb/>
als ein Feuermeteor ansprechen kann. Aus<lb/>
dem umwölkten Gipfel Sinai&#x2019;s schrecken<lb/>
Blitz und Donner, und bey gering schei-<lb/>
nenden Vergehen brechen Flammen aus dem<lb/>
Boden und verzehren die Enden des Lagers.<lb/>
Speise und Trank ermangeln immer aufs<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[435[437]/0447] dianiter verleitet zu seyn, wie wir zu- nächst wahrscheinlich zu machen gedenken, wenn wir vorher von der düsteren Stim- mung gesprochen haben, in die uns die Darstellung der, diesen Zug begleitenden, äuſseren Umstände versetzt. Der heitere Nachthimmel, von unend- lichen Sternen glühend, auf welchen Abra- ham von seinem Gott hingewiesen worden, breitet nicht mehr sein goldenes Gezelt über uns aus; anstatt jenen heiteren Him- melslichtern zu gleichen, bewegt sich ein unzählbares Volk, miſsmuthig in einer trau- rigen Wüste. Alle fröhlichen Phänomene sind verschwunden, nur Feuerflammen er- scheinen an allen Ecken und Enden. Der Herr, der aus einem brennenden Busche Mosen berufen hatte, zieht nun vor der Masse her, in einem trüben Gluthqualm, den man Tags für eine Wolkensäule, Nachts als ein Feuermeteor ansprechen kann. Aus dem umwölkten Gipfel Sinai’s schrecken Blitz und Donner, und bey gering schei- nenden Vergehen brechen Flammen aus dem Boden und verzehren die Enden des Lagers. Speise und Trank ermangeln immer aufs

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/447
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 435[437]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/447>, abgerufen am 22.12.2024.