des annimmt, verzerrt die Lage des Lan- des über die Massen. Bey Nolin tanzt die Caravane eine Polonaise, wodurch sie wieder ans rothe Meer gelangt und den Sinai nordwärts im Rücken hat. Es ist nicht möglich weniger Einbildungskraft, Anschauen, Genauigkeit und Urtheil zu zei- gen, als diese frommen, wohldenkenden Männer.
Die Sache aber aufs genauste betrach- tet, wird es höchst wahrscheinlich, dass das überflüssige Stationen-Verzeichniss zu Rettung der problematischen vierzig Jahre eingeschoben werden. Denn in dem Texte, welchem wir bey unserer Erzählung genau folgen, steht: dass das Volk, da es von den Cananitern geschlagen, und ihm der Durchzug durchs Land Edom versagt wor- den, auf dem Wege zum Schilfmeer, ge- gen Ezeongaber, der Edomiter Land um- zogen. Daraus ist der Irrthum entstanden, dass sie wirklich an's Schilfmeer nach Ezeon- gaber, das wahrscheinlich damals noch nicht existirte, gekommen, obgleich der Text von dem Umziehen des Gebirges Seir auf genannter Strasse spricht, so wie man sagt
des annimmt, verzerrt die Lage des Lan- des über die Maſsen. Bey Nolin tanzt die Caravane eine Polonaise, wodurch sie wieder ans rothe Meer gelangt und den Sinai nordwärts im Rücken hat. Es ist nicht möglich weniger Einbildungskraft, Anschauen, Genauigkeit und Urtheil zu zei- gen, als diese frommen, wohldenkenden Männer.
Die Sache aber aufs genauste betrach- tet, wird es höchst wahrscheinlich, daſs das überflüssige Stationen-Verzeichniſs zu Rettung der problematischen vierzig Jahre eingeschoben werden. Denn in dem Texte, welchem wir bey unserer Erzählung genau folgen, steht: daſs das Volk, da es von den Cananitern geschlagen, und ihm der Durchzug durchs Land Edom versagt wor- den, auf dem Wege zum Schilfmeer, ge- gen Ezeongaber, der Edomiter Land um- zogen. Daraus ist der Irrthum entstanden, daſs sie wirklich an’s Schilfmeer nach Ezeon- gaber, das wahrscheinlich damals noch nicht existirte, gekommen, obgleich der Text von dem Umziehen des Gebirges Seir auf genannter Straſse spricht, so wie man sagt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0465"n="453[455]"/>
des annimmt, verzerrt die Lage des Lan-<lb/>
des über die Maſsen. Bey <hirendition="#g">Nolin</hi> tanzt<lb/>
die Caravane eine Polonaise, wodurch sie<lb/>
wieder ans rothe Meer gelangt und den<lb/>
Sinai nordwärts im Rücken hat. Es ist<lb/>
nicht möglich weniger Einbildungskraft,<lb/>
Anschauen, Genauigkeit und Urtheil zu zei-<lb/>
gen, als diese frommen, wohldenkenden<lb/>
Männer.</p><lb/><p>Die Sache aber aufs genauste betrach-<lb/>
tet, wird es höchst wahrscheinlich, daſs<lb/>
das überflüssige Stationen-Verzeichniſs zu<lb/>
Rettung der problematischen vierzig Jahre<lb/>
eingeschoben werden. Denn in dem Texte,<lb/>
welchem wir bey unserer Erzählung genau<lb/>
folgen, steht: daſs das Volk, da es von<lb/>
den Cananitern geschlagen, und ihm der<lb/>
Durchzug durchs Land Edom versagt wor-<lb/>
den, auf dem Wege zum Schilfmeer, ge-<lb/>
gen Ezeongaber, der Edomiter Land um-<lb/>
zogen. Daraus ist der Irrthum entstanden,<lb/>
daſs sie wirklich an’s Schilfmeer nach Ezeon-<lb/>
gaber, das wahrscheinlich damals noch nicht<lb/>
existirte, gekommen, obgleich der Text<lb/>
von dem Umziehen des Gebirges Seir auf<lb/>
genannter Straſse spricht, so wie man sagt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[453[455]/0465]
des annimmt, verzerrt die Lage des Lan-
des über die Maſsen. Bey Nolin tanzt
die Caravane eine Polonaise, wodurch sie
wieder ans rothe Meer gelangt und den
Sinai nordwärts im Rücken hat. Es ist
nicht möglich weniger Einbildungskraft,
Anschauen, Genauigkeit und Urtheil zu zei-
gen, als diese frommen, wohldenkenden
Männer.
Die Sache aber aufs genauste betrach-
tet, wird es höchst wahrscheinlich, daſs
das überflüssige Stationen-Verzeichniſs zu
Rettung der problematischen vierzig Jahre
eingeschoben werden. Denn in dem Texte,
welchem wir bey unserer Erzählung genau
folgen, steht: daſs das Volk, da es von
den Cananitern geschlagen, und ihm der
Durchzug durchs Land Edom versagt wor-
den, auf dem Wege zum Schilfmeer, ge-
gen Ezeongaber, der Edomiter Land um-
zogen. Daraus ist der Irrthum entstanden,
daſs sie wirklich an’s Schilfmeer nach Ezeon-
gaber, das wahrscheinlich damals noch nicht
existirte, gekommen, obgleich der Text
von dem Umziehen des Gebirges Seir auf
genannter Straſse spricht, so wie man sagt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 453[455]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/465>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.