der Fuhrmann fährt die Leipziger Strasse, ohne dass er desshalb nothwendig nach Leipzig fahren müsse. Haben wir nun die überflüssigen Stationen bey Seite gebracht, so möchte es uns ja wohl auch mit den überflüssigen Jahren gelingen. Wir wissen dass die alttestamentliche Chronologie künst- lich ist, dass sich die ganze Zeitrechnung in bestimmte Kreise von neunundvierzig Jahren auflösen lässt, und dass also diese mystischen Epochen herauszubringen man- che historische Zahlen müssen verändert worden seyn. Und wo liessen sich sechs bis achtunddreissig Jahre die etwa in ei- nem Cyklus fehlten, bequemer einschieben, als in jene Epoche, die so sehr im Dun- keln lag, und die auf einem wüsten unbe- kannten Flecke sollte zugebracht worden seyn.
Ohne daher an die Chronologie, das schwierigste aller Studien, nur irgend zu rühren, so wollen wir den poetischen Theil derselben hier zu Gunsten unserer Hypo- these kürzlich in Betracht ziehen.
Mehrere runde, heilig, symbolisch, poetisch zu nennende Zahlen kommen in
der Fuhrmann fährt die Leipziger Straſse, ohne daſs er deſshalb nothwendig nach Leipzig fahren müsse. Haben wir nun die überflüssigen Stationen bey Seite gebracht, so möchte es uns ja wohl auch mit den überflüssigen Jahren gelingen. Wir wissen daſs die alttestamentliche Chronologie künst- lich ist, daſs sich die ganze Zeitrechnung in bestimmte Kreise von neunundvierzig Jahren auflösen läſst, und daſs also diese mystischen Epochen herauszubringen man- che historische Zahlen müssen verändert worden seyn. Und wo lieſsen sich sechs bis achtunddreiſsig Jahre die etwa in ei- nem Cyklus fehlten, bequemer einschieben, als in jene Epoche, die so sehr im Dun- keln lag, und die auf einem wüsten unbe- kannten Flecke sollte zugebracht worden seyn.
Ohne daher an die Chronologie, das schwierigste aller Studien, nur irgend zu rühren, so wollen wir den poetischen Theil derselben hier zu Gunsten unserer Hypo- these kürzlich in Betracht ziehen.
Mehrere runde, heilig, symbolisch, poetisch zu nennende Zahlen kommen in
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[454[456]/0466]
der Fuhrmann fährt die Leipziger Straſse,
ohne daſs er deſshalb nothwendig nach
Leipzig fahren müsse. Haben wir nun die
überflüssigen Stationen bey Seite gebracht,
so möchte es uns ja wohl auch mit den
überflüssigen Jahren gelingen. Wir wissen
daſs die alttestamentliche Chronologie künst-
lich ist, daſs sich die ganze Zeitrechnung
in bestimmte Kreise von neunundvierzig
Jahren auflösen läſst, und daſs also diese
mystischen Epochen herauszubringen man-
che historische Zahlen müssen verändert
worden seyn. Und wo lieſsen sich sechs
bis achtunddreiſsig Jahre die etwa in ei-
nem Cyklus fehlten, bequemer einschieben,
als in jene Epoche, die so sehr im Dun-
keln lag, und die auf einem wüsten unbe-
kannten Flecke sollte zugebracht worden
seyn.
Ohne daher an die Chronologie, das
schwierigste aller Studien, nur irgend zu
rühren, so wollen wir den poetischen Theil
derselben hier zu Gunsten unserer Hypo-
these kürzlich in Betracht ziehen.
Mehrere runde, heilig, symbolisch,
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 454[456]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/466>, abgerufen am 22.12.2024.
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