bringen, ob wir gleich hiebey schon viel zu viel auf ein schwankendes, unwahr- scheinliches Retardiren Rücksicht genom- men; hätten wir uns so vieler fruchtlo- sen Jahre, so vieler unfruchtbaren Sta- tionen entledigt, so würde sogleich der grosse Heerführer, gegen das was wir an ihm zu erinnern gehabt, in seinem ganzen Werthe wieder hergestellt. Auch würde die Art wie in diesen Büchern Gott er- scheint uns nicht mehr so drückend seyn als bisher, wo er sich durchaus grauenvoll und schrecklich erzeigt; da schon wieder im Buch Josua und der Richter, sogar auch weiter hin, ein reineres patriarchalisches Wesen wieder hervortritt und der Gott Abrahams nach wie vor den Seinen freund- lich erscheint, wenn uns der Gott Mosis eine Zeitlang mit Grauen und Abscheu er- füllt hat. Uns hierüber aufzuklären spre- chen wir aus: wie der Mann so auch sein Gott. Daher also von dem Charakter Mo- sis noch einige Schlussworte!
Ihr habt, könnte man uns zurufen, in dem Vorhergehenden mit allzu grosser Ver- wegenheit einem ausserordentlichen Manne
bringen, ob wir gleich hiebey schon viel zu viel auf ein schwankendes, unwahr- scheinliches Retardiren Rücksicht genom- men; hätten wir uns so vieler fruchtlo- sen Jahre, so vieler unfruchtbaren Sta- tionen entledigt, so würde sogleich der groſse Heerführer, gegen das was wir an ihm zu erinnern gehabt, in seinem ganzen Werthe wieder hergestellt. Auch würde die Art wie in diesen Büchern Gott er- scheint uns nicht mehr so drückend seyn als bisher, wo er sich durchaus grauenvoll und schrecklich erzeigt; da schon wieder im Buch Josua und der Richter, sogar auch weiter hin, ein reineres patriarchalisches Wesen wieder hervortritt und der Gott Abrahams nach wie vor den Seinen freund- lich erscheint, wenn uns der Gott Mosis eine Zeitlang mit Grauen und Abscheu er- füllt hat. Uns hierüber aufzuklären spre- chen wir aus: wie der Mann so auch sein Gott. Daher also von dem Charakter Mo- sis noch einige Schluſsworte!
Ihr habt, könnte man uns zurufen, in dem Vorhergehenden mit allzu groſser Ver- wegenheit einem auſserordentlichen Manne
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0468"n="456[458]"/>
bringen, ob wir gleich hiebey schon viel<lb/>
zu viel auf ein schwankendes, unwahr-<lb/>
scheinliches Retardiren Rücksicht genom-<lb/>
men; hätten wir uns so vieler fruchtlo-<lb/>
sen Jahre, so vieler unfruchtbaren Sta-<lb/>
tionen entledigt, so würde sogleich der<lb/>
groſse Heerführer, gegen das was wir an<lb/>
ihm zu erinnern gehabt, in seinem ganzen<lb/>
Werthe wieder hergestellt. Auch würde<lb/>
die Art wie in diesen Büchern Gott er-<lb/>
scheint uns nicht mehr so drückend seyn<lb/>
als bisher, wo er sich durchaus grauenvoll<lb/>
und schrecklich erzeigt; da schon wieder<lb/>
im Buch Josua und der Richter, sogar auch<lb/>
weiter hin, ein reineres patriarchalisches<lb/>
Wesen wieder hervortritt und der Gott<lb/>
Abrahams nach wie vor den Seinen freund-<lb/>
lich erscheint, wenn uns der Gott Mosis<lb/>
eine Zeitlang mit Grauen und Abscheu er-<lb/>
füllt hat. Uns hierüber aufzuklären spre-<lb/>
chen wir aus: wie der Mann so auch sein<lb/>
Gott. Daher also von dem Charakter Mo-<lb/>
sis noch einige Schluſsworte!</p><lb/><p>Ihr habt, könnte man uns zurufen, in<lb/>
dem Vorhergehenden mit allzu groſser Ver-<lb/>
wegenheit einem auſserordentlichen Manne<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[456[458]/0468]
bringen, ob wir gleich hiebey schon viel
zu viel auf ein schwankendes, unwahr-
scheinliches Retardiren Rücksicht genom-
men; hätten wir uns so vieler fruchtlo-
sen Jahre, so vieler unfruchtbaren Sta-
tionen entledigt, so würde sogleich der
groſse Heerführer, gegen das was wir an
ihm zu erinnern gehabt, in seinem ganzen
Werthe wieder hergestellt. Auch würde
die Art wie in diesen Büchern Gott er-
scheint uns nicht mehr so drückend seyn
als bisher, wo er sich durchaus grauenvoll
und schrecklich erzeigt; da schon wieder
im Buch Josua und der Richter, sogar auch
weiter hin, ein reineres patriarchalisches
Wesen wieder hervortritt und der Gott
Abrahams nach wie vor den Seinen freund-
lich erscheint, wenn uns der Gott Mosis
eine Zeitlang mit Grauen und Abscheu er-
füllt hat. Uns hierüber aufzuklären spre-
chen wir aus: wie der Mann so auch sein
Gott. Daher also von dem Charakter Mo-
sis noch einige Schluſsworte!
Ihr habt, könnte man uns zurufen, in
dem Vorhergehenden mit allzu groſser Ver-
wegenheit einem auſserordentlichen Manne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 456[458]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/468>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.