dass Wortbezüge der Persischen Dichtkunst ein inneres anmuthiges Leben verleihen, sie kommen oft vor und erfreuen uns durch sinnigen Anklang.
Das Band gilt auch für jede Art von Bezirkung, die einen Eingang hat und desswegen wohl auch eines Pförtners bedarf, wie das Original sich ausdrückt und sagt: "dessen Vorhang (oder Thor) die Sonne aufhebt (öffnet)", denn das Thor vieler orientalischen Gemächer bildet ein Vorhang; der Halter und Aufheber des Vorhanges ist daher der Pförtner. Unter Mani ist Ma- nes gemeint, Sectenhaupt der Manichaer, er soll ein geschickter Maler gewesen seyn, und seine seltsamen Irrlehren hauptsächlich durch Gemälde verbreitet haben. Er steht hier wie wir Apelles und Raphael sagen würden. Bey dem Wort Herrscher- perlen fühlt sich die Einbildungskraft seltsam angeregt. Perlen gelten auch für Tropfen und so wird ein Perlenmeer denk- bar, in welches die gnädige Majestät den Günstling untertaucht. Zieht sie ihn wieder hervor, so bleiben die Tropfen an ihm hängen, und er ist köstlich geschmückt
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daſs Wortbezüge der Persischen Dichtkunst ein inneres anmuthiges Leben verleihen, sie kommen oft vor und erfreuen uns durch sinnigen Anklang.
Das Band gilt auch für jede Art von Bezirkung, die einen Eingang hat und deſswegen wohl auch eines Pförtners bedarf, wie das Original sich ausdrückt und sagt: „dessen Vorhang (oder Thor) die Sonne aufhebt (öffnet)“, denn das Thor vieler orientalischen Gemächer bildet ein Vorhang; der Halter und Aufheber des Vorhanges ist daher der Pförtner. Unter Mani ist Ma- nes gemeint, Sectenhaupt der Manichaer, er soll ein geschickter Maler gewesen seyn, und seine seltsamen Irrlehren hauptsächlich durch Gemälde verbreitet haben. Er steht hier wie wir Apelles und Raphael sagen würden. Bey dem Wort Herrscher- perlen fühlt sich die Einbildungskraft seltsam angeregt. Perlen gelten auch für Tropfen und so wird ein Perlenmeer denk- bar, in welches die gnädige Majestät den Günstling untertaucht. Zieht sie ihn wieder hervor, so bleiben die Tropfen an ihm hängen, und er ist köstlich geschmückt
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daſs Wortbezüge der Persischen Dichtkunst
ein inneres anmuthiges Leben verleihen,
sie kommen oft vor und erfreuen uns durch
sinnigen Anklang.
Das Band gilt auch für jede Art von
Bezirkung, die einen Eingang hat und
deſswegen wohl auch eines Pförtners bedarf,
wie das Original sich ausdrückt und sagt:
„dessen Vorhang (oder Thor) die Sonne
aufhebt (öffnet)“, denn das Thor vieler
orientalischen Gemächer bildet ein Vorhang;
der Halter und Aufheber des Vorhanges ist
daher der Pförtner. Unter Mani ist Ma-
nes gemeint, Sectenhaupt der Manichaer,
er soll ein geschickter Maler gewesen seyn,
und seine seltsamen Irrlehren hauptsächlich
durch Gemälde verbreitet haben. Er steht
hier wie wir Apelles und Raphael sagen
würden. Bey dem Wort Herrscher-
perlen fühlt sich die Einbildungskraft
seltsam angeregt. Perlen gelten auch für
Tropfen und so wird ein Perlenmeer denk-
bar, in welches die gnädige Majestät den
Günstling untertaucht. Zieht sie ihn wieder
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/555>, abgerufen am 14.05.2024.
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