Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite
762.

Eben auch so in dem Gemüth. Die Erfahrung
lehrt uns, daß die einzelnen Farben besondre Ge-
müthsstimmungen geben. Von einem geistreichen Fran-
zosen wird erzählt: Il pretendoit que son ton de
conversation avec Madame etoit change depuis
qu'elle avoit change en cramoisi le meuble de son
cabinet qui etoit bleu.

763.

Diese einzelnen bedeutenden Wirkungen vollkom-
men zu empfinden, muß man das Auge ganz mit ei-
ner Farbe umgeben, z. B. in einem einfarbigen Zim-
mer sich befinden, durch ein farbiges Glas sehen.
Man identificirt sich alsdann mit der Farbe; sie
stimmt Auge und Geist mit sich unisono.


764.

Die Farben von der Plusseite sind Gelb, Roth-
gelb (Orange), Gelbroth (Mennig, Zinnober). Sie
stimmen regsam, lebhaft, strebend.



I. 19
762.

Eben auch ſo in dem Gemuͤth. Die Erfahrung
lehrt uns, daß die einzelnen Farben beſondre Ge-
muͤthsſtimmungen geben. Von einem geiſtreichen Fran-
zoſen wird erzaͤhlt: Il prétendoit que son ton de
conversation avec Madame étoit changé depuis
qu’elle avoit changé en cramoisi le meuble de son
cabinet qui étoit bleu.

763.

Dieſe einzelnen bedeutenden Wirkungen vollkom-
men zu empfinden, muß man das Auge ganz mit ei-
ner Farbe umgeben, z. B. in einem einfarbigen Zim-
mer ſich befinden, durch ein farbiges Glas ſehen.
Man identificirt ſich alsdann mit der Farbe; ſie
ſtimmt Auge und Geiſt mit ſich unisono.


764.

Die Farben von der Plusſeite ſind Gelb, Roth-
gelb (Orange), Gelbroth (Mennig, Zinnober). Sie
ſtimmen regſam, lebhaft, ſtrebend.



I. 19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0343" n="289"/>
          <div n="3">
            <head>762.</head><lb/>
            <p>Eben auch &#x017F;o in dem Gemu&#x0364;th. Die Erfahrung<lb/>
lehrt uns, daß die einzelnen Farben be&#x017F;ondre Ge-<lb/>
mu&#x0364;ths&#x017F;timmungen geben. Von einem gei&#x017F;treichen Fran-<lb/>
zo&#x017F;en wird erza&#x0364;hlt: <hi rendition="#aq">Il prétendoit que son ton de<lb/>
conversation avec Madame étoit changé depuis<lb/>
qu&#x2019;elle avoit changé en cramoisi le meuble de son<lb/>
cabinet qui étoit bleu.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>763.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;e einzelnen bedeutenden Wirkungen vollkom-<lb/>
men zu empfinden, muß man das Auge ganz mit ei-<lb/>
ner Farbe umgeben, z. B. in einem einfarbigen Zim-<lb/>
mer &#x017F;ich befinden, durch ein farbiges Glas &#x017F;ehen.<lb/>
Man identificirt &#x017F;ich alsdann mit der Farbe; &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;timmt Auge und Gei&#x017F;t mit &#x017F;ich <hi rendition="#aq">unisono.</hi></p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head>764.</head><lb/>
            <p>Die Farben von der Plus&#x017F;eite &#x017F;ind Gelb, Roth-<lb/>
gelb (Orange), Gelbroth (Mennig, Zinnober). Sie<lb/>
&#x017F;timmen reg&#x017F;am, lebhaft, &#x017F;trebend.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I.</hi> 19</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0343] 762. Eben auch ſo in dem Gemuͤth. Die Erfahrung lehrt uns, daß die einzelnen Farben beſondre Ge- muͤthsſtimmungen geben. Von einem geiſtreichen Fran- zoſen wird erzaͤhlt: Il prétendoit que son ton de conversation avec Madame étoit changé depuis qu’elle avoit changé en cramoisi le meuble de son cabinet qui étoit bleu. 763. Dieſe einzelnen bedeutenden Wirkungen vollkom- men zu empfinden, muß man das Auge ganz mit ei- ner Farbe umgeben, z. B. in einem einfarbigen Zim- mer ſich befinden, durch ein farbiges Glas ſehen. Man identificirt ſich alsdann mit der Farbe; ſie ſtimmt Auge und Geiſt mit ſich unisono. 764. Die Farben von der Plusſeite ſind Gelb, Roth- gelb (Orange), Gelbroth (Mennig, Zinnober). Sie ſtimmen regſam, lebhaft, ſtrebend. I. 19

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/343
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/343>, abgerufen am 23.12.2024.