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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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7) Man empfindet sehr leicht, daß in dem Um-
fang von den drey Farben nebst Weiß und Schwarz
der durch unsre Augen empfundene Eindruck der Na-
tur in seinen Elementen nicht erschöpft ist. Da Weiß
die Farben matt, und Schwarz sie schmutzig macht,
werden wir daher geneigt, ein Hell und Dunkel anzu-
nehmen. Die folgenden Betrachtungen werden uns
aber zeigen, in wiefern sich hieran zu halten ist.

8) Es ist in der Natur außer dem Unterschied von
Heller und Dunkler in den reinen Farben noch ein an-
drer wichtiger auffallend. Wann wir z. B. in einer
Helligkeit und in einer Reinheit rothes Tuch, Papier,
Taft, Atlas oder Sammet, das Rothe des Abend-
roths oder rothes durchsichtiges Glas annehmen, so
ist da noch ein Unterschied, der in der Durchsichtig-
keit oder Undurchsichtigkeit der Materie liegt.

9) Wenn wir die drey Farben, Roth Blau und
Gelb undurchsichtig zusammen mischen, so entsteht ein
Grau, welches Grau eben so aus Weiß und Schwarz
gemischt werden kann.

10) Wenn man diese drey Farben durchsichtig also
mischt, daß keine überwiegend ist, so erhält man
eine Dunkelheit, die durch keine von den andern Thei-
len hervorgebracht werden kann.

11) Weiß sowohl als Schwarz sind beyde un-
durchsichtig oder körperlich. Man darf sich an den
Ausdruck weißes Glas nicht stoßen, womit man kla-
res meynt. Weißes Wasser wird man sich nicht den-
ken können, was rein ist, so wenig wie klare Milch.
Wenn das Schwarze bloß dunkel machte, so könnte

7) Man empfindet ſehr leicht, daß in dem Um-
fang von den drey Farben nebſt Weiß und Schwarz
der durch unſre Augen empfundene Eindruck der Na-
tur in ſeinen Elementen nicht erſchoͤpft iſt. Da Weiß
die Farben matt, und Schwarz ſie ſchmutzig macht,
werden wir daher geneigt, ein Hell und Dunkel anzu-
nehmen. Die folgenden Betrachtungen werden uns
aber zeigen, in wiefern ſich hieran zu halten iſt.

8) Es iſt in der Natur außer dem Unterſchied von
Heller und Dunkler in den reinen Farben noch ein an-
drer wichtiger auffallend. Wann wir z. B. in einer
Helligkeit und in einer Reinheit rothes Tuch, Papier,
Taft, Atlas oder Sammet, das Rothe des Abend-
roths oder rothes durchſichtiges Glas annehmen, ſo
iſt da noch ein Unterſchied, der in der Durchſichtig-
keit oder Undurchſichtigkeit der Materie liegt.

9) Wenn wir die drey Farben, Roth Blau und
Gelb undurchſichtig zuſammen miſchen, ſo entſteht ein
Grau, welches Grau eben ſo aus Weiß und Schwarz
gemiſcht werden kann.

10) Wenn man dieſe drey Farben durchſichtig alſo
miſcht, daß keine uͤberwiegend iſt, ſo erhaͤlt man
eine Dunkelheit, die durch keine von den andern Thei-
len hervorgebracht werden kann.

11) Weiß ſowohl als Schwarz ſind beyde un-
durchſichtig oder koͤrperlich. Man darf ſich an den
Ausdruck weißes Glas nicht ſtoßen, womit man kla-
res meynt. Weißes Waſſer wird man ſich nicht den-
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Wenn das Schwarze bloß dunkel machte, ſo koͤnnte

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[345/0399] 7) Man empfindet ſehr leicht, daß in dem Um- fang von den drey Farben nebſt Weiß und Schwarz der durch unſre Augen empfundene Eindruck der Na- tur in ſeinen Elementen nicht erſchoͤpft iſt. Da Weiß die Farben matt, und Schwarz ſie ſchmutzig macht, werden wir daher geneigt, ein Hell und Dunkel anzu- nehmen. Die folgenden Betrachtungen werden uns aber zeigen, in wiefern ſich hieran zu halten iſt. 8) Es iſt in der Natur außer dem Unterſchied von Heller und Dunkler in den reinen Farben noch ein an- drer wichtiger auffallend. Wann wir z. B. in einer Helligkeit und in einer Reinheit rothes Tuch, Papier, Taft, Atlas oder Sammet, das Rothe des Abend- roths oder rothes durchſichtiges Glas annehmen, ſo iſt da noch ein Unterſchied, der in der Durchſichtig- keit oder Undurchſichtigkeit der Materie liegt. 9) Wenn wir die drey Farben, Roth Blau und Gelb undurchſichtig zuſammen miſchen, ſo entſteht ein Grau, welches Grau eben ſo aus Weiß und Schwarz gemiſcht werden kann. 10) Wenn man dieſe drey Farben durchſichtig alſo miſcht, daß keine uͤberwiegend iſt, ſo erhaͤlt man eine Dunkelheit, die durch keine von den andern Thei- len hervorgebracht werden kann. 11) Weiß ſowohl als Schwarz ſind beyde un- durchſichtig oder koͤrperlich. Man darf ſich an den Ausdruck weißes Glas nicht ſtoßen, womit man kla- res meynt. Weißes Waſſer wird man ſich nicht den- ken koͤnnen, was rein iſt, ſo wenig wie klare Milch. Wenn das Schwarze bloß dunkel machte, ſo koͤnnte

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/399>, abgerufen am 29.06.2024.