Daß bey einem Vortrag natürlicher Dinge der Lehrer die Wahl habe, entweder von den Erfahrun- gen zu den Grundsätzen, oder von den Grundsätzen zu den Erfahrungen seinen Weg zu nehmen, ver- steht sich von selbst; daß er sich beyder Methoden wechselsweise bediene, ist wohl auch vergönnt, ja manchmal nothwendig. Daß aber Newton eine solche gemischte Art des Vortrags zu seinem Zweck advocatenmäßig misbraucht, indem er das, was erst eingeführt, abgeleitet, erklärt, bewiesen werden sollte, schon als bekannt annimmt, und sodann aus der großen Masse der Phänomene nur diejenigen her- aussucht, welche scheinbar und nothdürftig zu dem einmal ausgesprochenen passen, dieß liegt uns ob, anschaulich zu machen, und zugleich darzuthun, wie er diese Versuche, ohne Ordnung, nach Belieben anstellt, sie keinesweges rein vorträgt, ja sie viel- mehr nur immer vermannigfaltigt und über einander schichtet, so daß zuletzt der beste Kopf ein solches Chaos lieber gläubig verehrt, als daß er sich zur unabsehlichen Mühe verpflichtete, jene streitenden Elemente versöhnen und ordnen zu wollen. Auch würde dieses völlig unmöglich seyn, wenn man nicht vorher, wie von uns mit Sorgfalt geschehen, die
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Daß bey einem Vortrag natuͤrlicher Dinge der Lehrer die Wahl habe, entweder von den Erfahrun- gen zu den Grundſaͤtzen, oder von den Grundſaͤtzen zu den Erfahrungen ſeinen Weg zu nehmen, ver- ſteht ſich von ſelbſt; daß er ſich beyder Methoden wechſelsweiſe bediene, iſt wohl auch vergoͤnnt, ja manchmal nothwendig. Daß aber Newton eine ſolche gemiſchte Art des Vortrags zu ſeinem Zweck advocatenmaͤßig misbraucht, indem er das, was erſt eingefuͤhrt, abgeleitet, erklaͤrt, bewieſen werden ſollte, ſchon als bekannt annimmt, und ſodann aus der großen Maſſe der Phaͤnomene nur diejenigen her- ausſucht, welche ſcheinbar und nothduͤrftig zu dem einmal ausgeſprochenen paſſen, dieß liegt uns ob, anſchaulich zu machen, und zugleich darzuthun, wie er dieſe Verſuche, ohne Ordnung, nach Belieben anſtellt, ſie keinesweges rein vortraͤgt, ja ſie viel- mehr nur immer vermannigfaltigt und uͤber einander ſchichtet, ſo daß zuletzt der beſte Kopf ein ſolches Chaos lieber glaͤubig verehrt, als daß er ſich zur unabſehlichen Muͤhe verpflichtete, jene ſtreitenden Elemente verſoͤhnen und ordnen zu wollen. Auch wuͤrde dieſes voͤllig unmoͤglich ſeyn, wenn man nicht vorher, wie von uns mit Sorgfalt geſchehen, die
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Daß bey einem Vortrag natuͤrlicher Dinge der
Lehrer die Wahl habe, entweder von den Erfahrun-
gen zu den Grundſaͤtzen, oder von den Grundſaͤtzen
zu den Erfahrungen ſeinen Weg zu nehmen, ver-
ſteht ſich von ſelbſt; daß er ſich beyder Methoden
wechſelsweiſe bediene, iſt wohl auch vergoͤnnt, ja
manchmal nothwendig. Daß aber Newton eine
ſolche gemiſchte Art des Vortrags zu ſeinem Zweck
advocatenmaͤßig misbraucht, indem er das, was erſt
eingefuͤhrt, abgeleitet, erklaͤrt, bewieſen werden ſollte,
ſchon als bekannt annimmt, und ſodann aus der
großen Maſſe der Phaͤnomene nur diejenigen her-
ausſucht, welche ſcheinbar und nothduͤrftig zu dem
einmal ausgeſprochenen paſſen, dieß liegt uns ob,
anſchaulich zu machen, und zugleich darzuthun, wie
er dieſe Verſuche, ohne Ordnung, nach Belieben
anſtellt, ſie keinesweges rein vortraͤgt, ja ſie viel-
mehr nur immer vermannigfaltigt und uͤber einander
ſchichtet, ſo daß zuletzt der beſte Kopf ein ſolches
Chaos lieber glaͤubig verehrt, als daß er ſich zur
unabſehlichen Muͤhe verpflichtete, jene ſtreitenden
Elemente verſoͤhnen und ordnen zu wollen. Auch
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/412>, abgerufen am 23.12.2024.
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