Nun bringt er auch bald das sonst stätig gefärbte Vild mit einer weißen Mitte. Dann fängt er an in dieser weißen Mitte zu operiren, manchal sogar ohne es zu gestehen; und jetzt, weil er die Wirkung der Gränze zwischen Licht und Schatten nicht anerkennt, läugnet er auf der Tafel D E jede farbige Erscheinung. Warum sind denn aber die an den beyden Enden A C der in- nern Seite des Prisma's hervortretenden farbigen Rän- der verschwiegen? Warum ist denn die Tafel D E nicht größer angegeben? Doch wohl nur darum, weil er sonst, wenn sie größer wäre, nothwendig jener auf ihr erscheinenden Ränder gedenken müßte.
382.
Man betrachte nun die Figur und sehe wie ein Linienstrom auf das Prisma herankommt, durch dasselbe durchgeht, und hinter demselben wieder heraustritt, und dieser Linienstrom soll einen durchaus weißen Raum vorstellen. Indessen werden uns durch diese fingirten Linien die hypothetischen Strahlen doch wie- der vor die Augen gebracht. Nun bemerke man aber wohl, was mit der Tafel D E vorgeht. Sie wird in die Stellung d e gebracht und was geschieht in e? Das gebrochene Licht gelangt weiß an den Rand der Tafel, und beginnt an diesem Rande sogleich die eine Seite der Farben hervorzubringen, und zwar in dieser Lage die gelbe und gelbrothe. Dieser hier entstehende Rand und Saum verbreitet sich über die ganze Tafel wegen der schiefen Lage derselben; und also da, wo
Nun bringt er auch bald das ſonſt ſtaͤtig gefaͤrbte Vild mit einer weißen Mitte. Dann faͤngt er an in dieſer weißen Mitte zu operiren, manchal ſogar ohne es zu geſtehen; und jetzt, weil er die Wirkung der Graͤnze zwiſchen Licht und Schatten nicht anerkennt, laͤugnet er auf der Tafel D E jede farbige Erſcheinung. Warum ſind denn aber die an den beyden Enden A C der in- nern Seite des Prisma’s hervortretenden farbigen Raͤn- der verſchwiegen? Warum iſt denn die Tafel D E nicht groͤßer angegeben? Doch wohl nur darum, weil er ſonſt, wenn ſie groͤßer waͤre, nothwendig jener auf ihr erſcheinenden Raͤnder gedenken muͤßte.
382.
Man betrachte nun die Figur und ſehe wie ein Linienſtrom auf das Prisma herankommt, durch daſſelbe durchgeht, und hinter demſelben wieder heraustritt, und dieſer Linienſtrom ſoll einen durchaus weißen Raum vorſtellen. Indeſſen werden uns durch dieſe fingirten Linien die hypothetiſchen Strahlen doch wie- der vor die Augen gebracht. Nun bemerke man aber wohl, was mit der Tafel D E vorgeht. Sie wird in die Stellung d e gebracht und was geſchieht in e? Das gebrochene Licht gelangt weiß an den Rand der Tafel, und beginnt an dieſem Rande ſogleich die eine Seite der Farben hervorzubringen, und zwar in dieſer Lage die gelbe und gelbrothe. Dieſer hier entſtehende Rand und Saum verbreitet ſich uͤber die ganze Tafel wegen der ſchiefen Lage derſelben; und alſo da, wo
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Nun bringt er auch bald das ſonſt ſtaͤtig gefaͤrbte Vild
mit einer weißen Mitte. Dann faͤngt er an in dieſer
weißen Mitte zu operiren, manchal ſogar ohne es zu
geſtehen; und jetzt, weil er die Wirkung der Graͤnze
zwiſchen Licht und Schatten nicht anerkennt, laͤugnet er
auf der Tafel D E jede farbige Erſcheinung. Warum
ſind denn aber die an den beyden Enden A C der in-
nern Seite des Prisma’s hervortretenden farbigen Raͤn-
der verſchwiegen? Warum iſt denn die Tafel D E
nicht groͤßer angegeben? Doch wohl nur darum, weil
er ſonſt, wenn ſie groͤßer waͤre, nothwendig jener auf
ihr erſcheinenden Raͤnder gedenken muͤßte.
382.
Man betrachte nun die Figur und ſehe wie ein
Linienſtrom auf das Prisma herankommt, durch daſſelbe
durchgeht, und hinter demſelben wieder heraustritt,
und dieſer Linienſtrom ſoll einen durchaus weißen
Raum vorſtellen. Indeſſen werden uns durch dieſe
fingirten Linien die hypothetiſchen Strahlen doch wie-
der vor die Augen gebracht. Nun bemerke man aber
wohl, was mit der Tafel D E vorgeht. Sie wird in
die Stellung d e gebracht und was geſchieht in e?
Das gebrochene Licht gelangt weiß an den Rand der
Tafel, und beginnt an dieſem Rande ſogleich die eine
Seite der Farben hervorzubringen, und zwar in dieſer
Lage die gelbe und gelbrothe. Dieſer hier entſtehende
Rand und Saum verbreitet ſich uͤber die ganze Tafel
wegen der ſchiefen Lage derſelben; und alſo da, wo
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/593>, abgerufen am 23.12.2024.
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