näher zu einer Farbe als zu den übrigen hielt, so erschien es von dieser Farbe; wenn es aber gleich oder fast gleich von allen Farben entfernt war, so daß alle es erleuchteten, erschien es weiß.
511.
Man bedenke was bey dieser Operation vorgeht. Es ist nämlich eine unvollkommene Reflexion eines farbigen halbhellen Bildes, welche jedoch nach den Gesetzen der scheinbaren Mittheilung geschieht. (E. 588 -- 592.) Wir wollen aber den Verfasser ausreden lassen, um alsdann das wahre Verhältniß im Zusam- menhang vorzubringen.
512.
Wenn nun bey dieser letzten Lage des Papiers einige Far- ben aufgefangen wurden, verlor dasselbe seine weiße Farbe und erschien in der Farbe des übrigen Lichtes das nicht aufgefan- gen war. Auf diese Weise konnte man das Papier mit Lich- tern von verschiedenen Farben erleuchten, namentlich mit Roth, Gelb, Grün, Blau und Violett, und jeder Theil des Lichts behielt seine eigene Farbe bis er aufs Papier fiel und von da zum Auge zurückgeworfen wurde, so daß er, wenn entweder die Farbe allein war, und das übrige Licht aufge- fangen, oder wenn sie prädominirte, dem Papier seine eigene Farbe gab; war sie aber vermischt mit den übrigen Farben in gehörigem Verhältniß, so erschien das Papier weiß, und brachte also diese Farbe in Zusammensetzung mit den übrigen hervor. Die verschiedenen Theile des farbigen Lichtes, welche das Spectrum reflectirt, indem sie von daher durch die Luft fortgepflanzt werden, behalten beständig ihre eigenen Farben: denn wie sie auch auf die Augen des Zuschauers fallen, so
naͤher zu einer Farbe als zu den uͤbrigen hielt, ſo erſchien es von dieſer Farbe; wenn es aber gleich oder faſt gleich von allen Farben entfernt war, ſo daß alle es erleuchteten, erſchien es weiß.
511.
Man bedenke was bey dieſer Operation vorgeht. Es iſt naͤmlich eine unvollkommene Reflexion eines farbigen halbhellen Bildes, welche jedoch nach den Geſetzen der ſcheinbaren Mittheilung geſchieht. (E. 588 — 592.) Wir wollen aber den Verfaſſer ausreden laſſen, um alsdann das wahre Verhaͤltniß im Zuſam- menhang vorzubringen.
512.
Wenn nun bey dieſer letzten Lage des Papiers einige Far- ben aufgefangen wurden, verlor daſſelbe ſeine weiße Farbe und erſchien in der Farbe des uͤbrigen Lichtes das nicht aufgefan- gen war. Auf dieſe Weiſe konnte man das Papier mit Lich- tern von verſchiedenen Farben erleuchten, namentlich mit Roth, Gelb, Gruͤn, Blau und Violett, und jeder Theil des Lichts behielt ſeine eigene Farbe bis er aufs Papier fiel und von da zum Auge zuruͤckgeworfen wurde, ſo daß er, wenn entweder die Farbe allein war, und das uͤbrige Licht aufge- fangen, oder wenn ſie praͤdominirte, dem Papier ſeine eigene Farbe gab; war ſie aber vermiſcht mit den uͤbrigen Farben in gehoͤrigem Verhaͤltniß, ſo erſchien das Papier weiß, und brachte alſo dieſe Farbe in Zuſammenſetzung mit den uͤbrigen hervor. Die verſchiedenen Theile des farbigen Lichtes, welche das Spectrum reflectirt, indem ſie von daher durch die Luft fortgepflanzt werden, behalten beſtaͤndig ihre eigenen Farben: denn wie ſie auch auf die Augen des Zuſchauers fallen, ſo
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0635"n="581"/>
naͤher zu einer Farbe als zu den uͤbrigen hielt, ſo erſchien<lb/>
es von dieſer Farbe; wenn es aber gleich oder faſt gleich<lb/>
von allen Farben entfernt war, ſo daß alle es erleuchteten,<lb/>
erſchien es weiß.</p></div><lb/><divn="5"><head>511.</head><lb/><p>Man bedenke was bey dieſer Operation vorgeht.<lb/>
Es iſt naͤmlich eine unvollkommene Reflexion eines<lb/>
farbigen halbhellen Bildes, welche jedoch nach den<lb/>
Geſetzen der ſcheinbaren Mittheilung geſchieht. (E.<lb/>
588 — 592.) Wir wollen aber den Verfaſſer ausreden<lb/>
laſſen, um alsdann das wahre Verhaͤltniß im Zuſam-<lb/>
menhang vorzubringen.</p></div><lb/><divn="5"><head>512.</head><lb/><p>Wenn nun bey dieſer letzten Lage des Papiers einige Far-<lb/>
ben aufgefangen wurden, verlor daſſelbe ſeine weiße Farbe<lb/>
und erſchien in der Farbe des uͤbrigen Lichtes das nicht aufgefan-<lb/>
gen war. Auf dieſe Weiſe konnte man das Papier mit Lich-<lb/>
tern von verſchiedenen Farben erleuchten, namentlich mit<lb/>
Roth, Gelb, Gruͤn, Blau und Violett, und jeder Theil des<lb/>
Lichts behielt ſeine eigene Farbe bis er aufs Papier fiel und<lb/>
von da zum Auge zuruͤckgeworfen wurde, ſo daß er, wenn<lb/>
entweder die Farbe allein war, und das uͤbrige Licht aufge-<lb/>
fangen, oder wenn ſie praͤdominirte, dem Papier ſeine eigene<lb/>
Farbe gab; war ſie aber vermiſcht mit den uͤbrigen Farben<lb/>
in gehoͤrigem Verhaͤltniß, ſo erſchien das Papier weiß, und<lb/>
brachte alſo dieſe Farbe in Zuſammenſetzung mit den uͤbrigen<lb/>
hervor. Die verſchiedenen Theile des farbigen Lichtes, welche<lb/>
das Spectrum reflectirt, indem ſie von daher durch die Luft<lb/>
fortgepflanzt werden, behalten beſtaͤndig ihre eigenen Farben:<lb/>
denn wie ſie auch auf die Augen des Zuſchauers fallen, ſo<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[581/0635]
naͤher zu einer Farbe als zu den uͤbrigen hielt, ſo erſchien
es von dieſer Farbe; wenn es aber gleich oder faſt gleich
von allen Farben entfernt war, ſo daß alle es erleuchteten,
erſchien es weiß.
511.
Man bedenke was bey dieſer Operation vorgeht.
Es iſt naͤmlich eine unvollkommene Reflexion eines
farbigen halbhellen Bildes, welche jedoch nach den
Geſetzen der ſcheinbaren Mittheilung geſchieht. (E.
588 — 592.) Wir wollen aber den Verfaſſer ausreden
laſſen, um alsdann das wahre Verhaͤltniß im Zuſam-
menhang vorzubringen.
512.
Wenn nun bey dieſer letzten Lage des Papiers einige Far-
ben aufgefangen wurden, verlor daſſelbe ſeine weiße Farbe
und erſchien in der Farbe des uͤbrigen Lichtes das nicht aufgefan-
gen war. Auf dieſe Weiſe konnte man das Papier mit Lich-
tern von verſchiedenen Farben erleuchten, namentlich mit
Roth, Gelb, Gruͤn, Blau und Violett, und jeder Theil des
Lichts behielt ſeine eigene Farbe bis er aufs Papier fiel und
von da zum Auge zuruͤckgeworfen wurde, ſo daß er, wenn
entweder die Farbe allein war, und das uͤbrige Licht aufge-
fangen, oder wenn ſie praͤdominirte, dem Papier ſeine eigene
Farbe gab; war ſie aber vermiſcht mit den uͤbrigen Farben
in gehoͤrigem Verhaͤltniß, ſo erſchien das Papier weiß, und
brachte alſo dieſe Farbe in Zuſammenſetzung mit den uͤbrigen
hervor. Die verſchiedenen Theile des farbigen Lichtes, welche
das Spectrum reflectirt, indem ſie von daher durch die Luft
fortgepflanzt werden, behalten beſtaͤndig ihre eigenen Farben:
denn wie ſie auch auf die Augen des Zuſchauers fallen, ſo
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 581. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/635>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.