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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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bend erhalten, so daß uns Erwartung, Hoffnung, Glau-
be und Wahn immer natürlicher, bequemer und be-
haglicher bleiben müssen, als Zweifelsucht, Unglaube
und starres hochmüthiges Abläugnen.

Die Anlässe zur Magie überhaupt finden wir bey
allen Völkern und in allen Zeiten. Je beschränkter der
Erkenntnißkreis, je dringender das Bedürfniß, je höher
das Ahndungsvermögen, je froher das poetische Talent,
desto mehr Elemente entspringen dem Menschen, jene
wunderbare, unzusammenhängende, nur durch ein gei-
stiges Band zu verknüpfende Kunst wünschenswerth zu
machen.

Betrachten wir die natürliche Magie insofern sie
sie sich absondern läßt; so finden wir, daß schon die
Alten viele solche einzelne Bemerkungen und Recepte
aufbewahrt hatten. Die mittlere Zeit nahm sie auf und
erweiterte den Vorrath nach allen Seiten. Albert der
Große, besonders seine Schule, sodann die Alchymisten
wirkten immer weiter fort. Roger Baco, zu seinen
Ehren sey es gesagt, ist, bey allem Wunderbaren wo-
mit er sich beschäftigt, bey allem Seltsamen das er
verspricht, fast gänzlich frey von Aberglauben; denn
sein Vorahnden zukünftiger Möglichkeiten ruht auf
einem sichern Fundament, so wie sein köstliches Büchel-
chen de mirabili potestate artis et naturae gegen das
Wüste, Absurde des Wahnes ganz eigentlich gerichtet
ist, nicht mit jener negirenden erkältenden Manier der
Neuern, sondern mit einem Glauben erregenden heite-
ren Hinweisen auf ächte Kunst und Naturkraft.

bend erhalten, ſo daß uns Erwartung, Hoffnung, Glau-
be und Wahn immer natuͤrlicher, bequemer und be-
haglicher bleiben muͤſſen, als Zweifelſucht, Unglaube
und ſtarres hochmuͤthiges Ablaͤugnen.

Die Anlaͤſſe zur Magie uͤberhaupt finden wir bey
allen Voͤlkern und in allen Zeiten. Je beſchraͤnkter der
Erkenntnißkreis, je dringender das Beduͤrfniß, je hoͤher
das Ahndungsvermoͤgen, je froher das poetiſche Talent,
deſto mehr Elemente entſpringen dem Menſchen, jene
wunderbare, unzuſammenhaͤngende, nur durch ein gei-
ſtiges Band zu verknuͤpfende Kunſt wuͤnſchenswerth zu
machen.

Betrachten wir die natuͤrliche Magie inſofern ſie
ſie ſich abſondern laͤßt; ſo finden wir, daß ſchon die
Alten viele ſolche einzelne Bemerkungen und Recepte
aufbewahrt hatten. Die mittlere Zeit nahm ſie auf und
erweiterte den Vorrath nach allen Seiten. Albert der
Große, beſonders ſeine Schule, ſodann die Alchymiſten
wirkten immer weiter fort. Roger Baco, zu ſeinen
Ehren ſey es geſagt, iſt, bey allem Wunderbaren wo-
mit er ſich beſchaͤftigt, bey allem Seltſamen das er
verſpricht, faſt gaͤnzlich frey von Aberglauben; denn
ſein Vorahnden zukuͤnftiger Moͤglichkeiten ruht auf
einem ſichern Fundament, ſo wie ſein koͤſtliches Buͤchel-
chen de mirabili poteſtate artis et naturae gegen das
Wuͤſte, Abſurde des Wahnes ganz eigentlich gerichtet
iſt, nicht mit jener negirenden erkaͤltenden Manier der
Neuern, ſondern mit einem Glauben erregenden heite-
ren Hinweiſen auf aͤchte Kunſt und Naturkraft.

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[223/0257] bend erhalten, ſo daß uns Erwartung, Hoffnung, Glau- be und Wahn immer natuͤrlicher, bequemer und be- haglicher bleiben muͤſſen, als Zweifelſucht, Unglaube und ſtarres hochmuͤthiges Ablaͤugnen. Die Anlaͤſſe zur Magie uͤberhaupt finden wir bey allen Voͤlkern und in allen Zeiten. Je beſchraͤnkter der Erkenntnißkreis, je dringender das Beduͤrfniß, je hoͤher das Ahndungsvermoͤgen, je froher das poetiſche Talent, deſto mehr Elemente entſpringen dem Menſchen, jene wunderbare, unzuſammenhaͤngende, nur durch ein gei- ſtiges Band zu verknuͤpfende Kunſt wuͤnſchenswerth zu machen. Betrachten wir die natuͤrliche Magie inſofern ſie ſie ſich abſondern laͤßt; ſo finden wir, daß ſchon die Alten viele ſolche einzelne Bemerkungen und Recepte aufbewahrt hatten. Die mittlere Zeit nahm ſie auf und erweiterte den Vorrath nach allen Seiten. Albert der Große, beſonders ſeine Schule, ſodann die Alchymiſten wirkten immer weiter fort. Roger Baco, zu ſeinen Ehren ſey es geſagt, iſt, bey allem Wunderbaren wo- mit er ſich beſchaͤftigt, bey allem Seltſamen das er verſpricht, faſt gaͤnzlich frey von Aberglauben; denn ſein Vorahnden zukuͤnftiger Moͤglichkeiten ruht auf einem ſichern Fundament, ſo wie ſein koͤſtliches Buͤchel- chen de mirabili poteſtate artis et naturae gegen das Wuͤſte, Abſurde des Wahnes ganz eigentlich gerichtet iſt, nicht mit jener negirenden erkaͤltenden Manier der Neuern, ſondern mit einem Glauben erregenden heite- ren Hinweiſen auf aͤchte Kunſt und Naturkraft.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/257>, abgerufen am 25.11.2024.