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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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verdunkelt. Deshalb auch röthen sich Sonn' und Ge-
stirne nah am Horizont, weil die dazwischen tretenden
Dünste solche verdunkeln. Und solcher mittleren Farben
können wir eigentlich drey zählen. Die erste Beymi-
schung des Dunklen, welche das Weiße einigermaßen ver-
dunkelt, macht das Licht roth: und die rothe Farbe ist
die leuchtendste der Mittelfarben zwischen den beyden
Enden, dem Weißen und Schwarzen, wie man es deut-
lich in dem länglichen dreykantigen Glase sieht. Der
Sonnenstrahl nämlich, der das Glas bey dem Winkel
durchdringt, wo die geringste Dicke ist und also auch
die geringste Dunkelheit, tritt hochroth heraus; zunächst
folgt das Grün bey zunehmender Dicke; endlich das
Violette bey noch größerer Dicke: und so nimmt nach
Verhältniß der Stärke des Glases auch die Verdunklung
zu oder ab."

"Eine etwas mehrere Dunkelheit bringt, wie gesagt,
das Grüne hervor. Wächst die Dunkelheit, so wird
die Farbe blau oder violett, welche die dunkelste ist
aus allen Mittelfarben. Wächst nun die Dunkelheit noch
mehr, so löscht sie das ganze Licht aus und die
Schwärze bleibt, obgleich die Schwärze mehr eine Be-
raubung des Lichts als eine wirkliche Farbe ist; des-
wegen auch das Auge die Finsterniß selbst und sehr
schwarze Körper für eins hält. Die übrigen Farben
aber sind aus diesen zusammengesetzt."

"Die Dunkelheit aber verwandelt das Licht in eine
glänzende Farbe, nicht allein wenn sie sich mit dem

II. 17

verdunkelt. Deshalb auch roͤthen ſich Sonn’ und Ge-
ſtirne nah am Horizont, weil die dazwiſchen tretenden
Duͤnſte ſolche verdunkeln. Und ſolcher mittleren Farben
koͤnnen wir eigentlich drey zaͤhlen. Die erſte Beymi-
ſchung des Dunklen, welche das Weiße einigermaßen ver-
dunkelt, macht das Licht roth: und die rothe Farbe iſt
die leuchtendſte der Mittelfarben zwiſchen den beyden
Enden, dem Weißen und Schwarzen, wie man es deut-
lich in dem laͤnglichen dreykantigen Glaſe ſieht. Der
Sonnenſtrahl naͤmlich, der das Glas bey dem Winkel
durchdringt, wo die geringſte Dicke iſt und alſo auch
die geringſte Dunkelheit, tritt hochroth heraus; zunaͤchſt
folgt das Gruͤn bey zunehmender Dicke; endlich das
Violette bey noch groͤßerer Dicke: und ſo nimmt nach
Verhaͤltniß der Staͤrke des Glaſes auch die Verdunklung
zu oder ab.“

„Eine etwas mehrere Dunkelheit bringt, wie geſagt,
das Gruͤne hervor. Waͤchſt die Dunkelheit, ſo wird
die Farbe blau oder violett, welche die dunkelſte iſt
aus allen Mittelfarben. Waͤchſt nun die Dunkelheit noch
mehr, ſo loͤſcht ſie das ganze Licht aus und die
Schwaͤrze bleibt, obgleich die Schwaͤrze mehr eine Be-
raubung des Lichts als eine wirkliche Farbe iſt; des-
wegen auch das Auge die Finſterniß ſelbſt und ſehr
ſchwarze Koͤrper fuͤr eins haͤlt. Die uͤbrigen Farben
aber ſind aus dieſen zuſammengeſetzt.“

„Die Dunkelheit aber verwandelt das Licht in eine
glaͤnzende Farbe, nicht allein wenn ſie ſich mit dem

II. 17
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[257/0291] verdunkelt. Deshalb auch roͤthen ſich Sonn’ und Ge- ſtirne nah am Horizont, weil die dazwiſchen tretenden Duͤnſte ſolche verdunkeln. Und ſolcher mittleren Farben koͤnnen wir eigentlich drey zaͤhlen. Die erſte Beymi- ſchung des Dunklen, welche das Weiße einigermaßen ver- dunkelt, macht das Licht roth: und die rothe Farbe iſt die leuchtendſte der Mittelfarben zwiſchen den beyden Enden, dem Weißen und Schwarzen, wie man es deut- lich in dem laͤnglichen dreykantigen Glaſe ſieht. Der Sonnenſtrahl naͤmlich, der das Glas bey dem Winkel durchdringt, wo die geringſte Dicke iſt und alſo auch die geringſte Dunkelheit, tritt hochroth heraus; zunaͤchſt folgt das Gruͤn bey zunehmender Dicke; endlich das Violette bey noch groͤßerer Dicke: und ſo nimmt nach Verhaͤltniß der Staͤrke des Glaſes auch die Verdunklung zu oder ab.“ „Eine etwas mehrere Dunkelheit bringt, wie geſagt, das Gruͤne hervor. Waͤchſt die Dunkelheit, ſo wird die Farbe blau oder violett, welche die dunkelſte iſt aus allen Mittelfarben. Waͤchſt nun die Dunkelheit noch mehr, ſo loͤſcht ſie das ganze Licht aus und die Schwaͤrze bleibt, obgleich die Schwaͤrze mehr eine Be- raubung des Lichts als eine wirkliche Farbe iſt; des- wegen auch das Auge die Finſterniß ſelbſt und ſehr ſchwarze Koͤrper fuͤr eins haͤlt. Die uͤbrigen Farben aber ſind aus dieſen zuſammengeſetzt.“ „Die Dunkelheit aber verwandelt das Licht in eine glaͤnzende Farbe, nicht allein wenn ſie ſich mit dem II. 17

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/291>, abgerufen am 23.11.2024.