Erscheinung mag ihm nicht aufgegangen seyn, wor- über wir uns um so weniger wundern werden, als Hamberger solche der gesunden Natur gemäße, zum reinen Sehen unumgänglich nothwendige Bedingungen gleichfalls für krankhaft und für vitia fugitiva er- klärt hat.
Das Weiße und Schwarze nun setzt er an die beyden Enden, dazwischen in eine Reihe Gelb, Roth und Blau, und hat also fünf Farben auf einer Linie, welches ein ganz hübsches Schema gibt, indem das Gelbe zunächst an dem Weißen, das Blaue an dem Schwarzen und das Rothe in der Mitte steht, welche sämmtlich mit einander durch Halbzirkel verbunden sind, wodurch die Mittelfarben angedeutet werden.
Daß nach den verschiedenen Erscheinungsarten die Farben eingetheilt werden müssen, kommt bey ihm auf eine entschiedenere Weise als bisher zur Sprache. Er theilt sie in wahre, apparente und intentionelle Farben. Da nun die intentionellen, wie wir nachher sehen werden, keinen richtigen Eintheilungsgrund hinter sich haben, die physiologischen aber fehlen; so quält er sich ab, die verschiedenen Erscheinungsfälle unter diese Rubriken zu bringen.
Die wahren Farben werden den Eigenschaften der Körper zugeschrieben, die apparenten für unerklär- lich, ja als ein göttliches Geheimniß angesehen, und doch gewissermaßen wieder als zufällig betrachtet. Er
Erſcheinung mag ihm nicht aufgegangen ſeyn, wor- uͤber wir uns um ſo weniger wundern werden, als Hamberger ſolche der geſunden Natur gemaͤße, zum reinen Sehen unumgaͤnglich nothwendige Bedingungen gleichfalls fuͤr krankhaft und fuͤr vitia fugitiva er- klaͤrt hat.
Das Weiße und Schwarze nun ſetzt er an die beyden Enden, dazwiſchen in eine Reihe Gelb, Roth und Blau, und hat alſo fuͤnf Farben auf einer Linie, welches ein ganz huͤbſches Schema gibt, indem das Gelbe zunaͤchſt an dem Weißen, das Blaue an dem Schwarzen und das Rothe in der Mitte ſteht, welche ſaͤmmtlich mit einander durch Halbzirkel verbunden ſind, wodurch die Mittelfarben angedeutet werden.
Daß nach den verſchiedenen Erſcheinungsarten die Farben eingetheilt werden muͤſſen, kommt bey ihm auf eine entſchiedenere Weiſe als bisher zur Sprache. Er theilt ſie in wahre, apparente und intentionelle Farben. Da nun die intentionellen, wie wir nachher ſehen werden, keinen richtigen Eintheilungsgrund hinter ſich haben, die phyſiologiſchen aber fehlen; ſo quaͤlt er ſich ab, die verſchiedenen Erſcheinungsfaͤlle unter dieſe Rubriken zu bringen.
Die wahren Farben werden den Eigenſchaften der Koͤrper zugeſchrieben, die apparenten fuͤr unerklaͤr- lich, ja als ein goͤttliches Geheimniß angeſehen, und doch gewiſſermaßen wieder als zufaͤllig betrachtet. Er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0300"n="266"/>
Erſcheinung mag ihm nicht aufgegangen ſeyn, wor-<lb/>
uͤber wir uns um ſo weniger wundern werden, als<lb/>
Hamberger ſolche der geſunden Natur gemaͤße, zum<lb/>
reinen Sehen unumgaͤnglich nothwendige Bedingungen<lb/>
gleichfalls fuͤr krankhaft und fuͤr <hirendition="#aq">vitia fugitiva</hi> er-<lb/>
klaͤrt hat.</p><lb/><p>Das Weiße und Schwarze nun ſetzt er an die<lb/>
beyden Enden, dazwiſchen in eine Reihe Gelb, Roth<lb/>
und Blau, und hat alſo fuͤnf Farben auf einer Linie,<lb/>
welches ein ganz huͤbſches Schema gibt, indem das<lb/>
Gelbe zunaͤchſt an dem Weißen, das Blaue an dem<lb/>
Schwarzen und das Rothe in der Mitte ſteht, welche<lb/>ſaͤmmtlich mit einander durch Halbzirkel verbunden<lb/>ſind, wodurch die Mittelfarben angedeutet werden.</p><lb/><p>Daß nach den verſchiedenen Erſcheinungsarten<lb/>
die Farben eingetheilt werden muͤſſen, kommt bey ihm<lb/>
auf eine entſchiedenere Weiſe als bisher zur Sprache.<lb/>
Er theilt ſie in wahre, apparente und intentionelle<lb/>
Farben. Da nun die intentionellen, wie wir nachher<lb/>ſehen werden, keinen richtigen Eintheilungsgrund hinter<lb/>ſich haben, die phyſiologiſchen aber fehlen; ſo quaͤlt<lb/>
er ſich ab, die verſchiedenen Erſcheinungsfaͤlle unter<lb/>
dieſe Rubriken zu bringen.</p><lb/><p>Die wahren Farben werden den Eigenſchaften<lb/>
der Koͤrper zugeſchrieben, die apparenten fuͤr unerklaͤr-<lb/>
lich, ja als ein goͤttliches Geheimniß angeſehen, und<lb/>
doch gewiſſermaßen wieder als zufaͤllig betrachtet. Er<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[266/0300]
Erſcheinung mag ihm nicht aufgegangen ſeyn, wor-
uͤber wir uns um ſo weniger wundern werden, als
Hamberger ſolche der geſunden Natur gemaͤße, zum
reinen Sehen unumgaͤnglich nothwendige Bedingungen
gleichfalls fuͤr krankhaft und fuͤr vitia fugitiva er-
klaͤrt hat.
Das Weiße und Schwarze nun ſetzt er an die
beyden Enden, dazwiſchen in eine Reihe Gelb, Roth
und Blau, und hat alſo fuͤnf Farben auf einer Linie,
welches ein ganz huͤbſches Schema gibt, indem das
Gelbe zunaͤchſt an dem Weißen, das Blaue an dem
Schwarzen und das Rothe in der Mitte ſteht, welche
ſaͤmmtlich mit einander durch Halbzirkel verbunden
ſind, wodurch die Mittelfarben angedeutet werden.
Daß nach den verſchiedenen Erſcheinungsarten
die Farben eingetheilt werden muͤſſen, kommt bey ihm
auf eine entſchiedenere Weiſe als bisher zur Sprache.
Er theilt ſie in wahre, apparente und intentionelle
Farben. Da nun die intentionellen, wie wir nachher
ſehen werden, keinen richtigen Eintheilungsgrund hinter
ſich haben, die phyſiologiſchen aber fehlen; ſo quaͤlt
er ſich ab, die verſchiedenen Erſcheinungsfaͤlle unter
dieſe Rubriken zu bringen.
Die wahren Farben werden den Eigenſchaften
der Koͤrper zugeſchrieben, die apparenten fuͤr unerklaͤr-
lich, ja als ein goͤttliches Geheimniß angeſehen, und
doch gewiſſermaßen wieder als zufaͤllig betrachtet. Er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/300>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.