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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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"Aber eine andre Art des Weißen gibt es, wenn
in einem durchsichtigen Körper durch Einwirkung des
Lichtes und der Wärme die zarteren Theile des Schwe-
fels schmelzen und angezündet werden: denn da auf
diese Weise die Körper austrocknen und dünner wer-
den, so folgt daraus, daß auch verschiedene neue Ober-
flächen entstehen; und auf diese Art werden durchsich-
tige Dinge, auch ehe die Tinctur des Schwefels hin-
zutritt, weiß. Denn es ist eine allgemeine Regel, daß
jeder klein zerstückte Körper weiß werde, und umge-
kehrt, daß jeder weiße Körper aus kleinen durchsichti-
gen Theilen bestehe."

"Zunächst an der Weiße folgen zwey Farben, das
blässere Grün und das Gelbe. Ist die Wärme schwach,
die das, was schweflicht ist, in den Körpern auflösen
soll; so geht das Grüne voraus, welches roher und
wäßriger ist als das Gelbe. Verursacht aber die Wär-
me eine mächtigere Kochung; so tritt sogleich nach dem
Weißen ein Gelbes hervor, das reifer ist und feuriger.
Folgt aber auf diese Art das Gelbe dem Weißen, so
bleibt kein Platz mehr für das Grüne. Denn auch in
den Pflanzen wie in andern Körpern, wenn sie grün
werden, geht das Grüne dem Gelben voraus."

"In welcher Ordnung man auch die Farben zählt,
so ist die mittlere immer roth. Am mächtigsten ist hier
das flammende Roth, und dieses entsteht nicht aus dem
Weißen und Schwarzen, sondern es ist dem Schwefel
seinen Ursprung schuldig. Und doch lassen sich aus dem

„Aber eine andre Art des Weißen gibt es, wenn
in einem durchſichtigen Koͤrper durch Einwirkung des
Lichtes und der Waͤrme die zarteren Theile des Schwe-
fels ſchmelzen und angezuͤndet werden: denn da auf
dieſe Weiſe die Koͤrper austrocknen und duͤnner wer-
den, ſo folgt daraus, daß auch verſchiedene neue Ober-
flaͤchen entſtehen; und auf dieſe Art werden durchſich-
tige Dinge, auch ehe die Tinctur des Schwefels hin-
zutritt, weiß. Denn es iſt eine allgemeine Regel, daß
jeder klein zerſtuͤckte Koͤrper weiß werde, und umge-
kehrt, daß jeder weiße Koͤrper aus kleinen durchſichti-
gen Theilen beſtehe.“

„Zunaͤchſt an der Weiße folgen zwey Farben, das
blaͤſſere Gruͤn und das Gelbe. Iſt die Waͤrme ſchwach,
die das, was ſchweflicht iſt, in den Koͤrpern aufloͤſen
ſoll; ſo geht das Gruͤne voraus, welches roher und
waͤßriger iſt als das Gelbe. Verurſacht aber die Waͤr-
me eine maͤchtigere Kochung; ſo tritt ſogleich nach dem
Weißen ein Gelbes hervor, das reifer iſt und feuriger.
Folgt aber auf dieſe Art das Gelbe dem Weißen, ſo
bleibt kein Platz mehr fuͤr das Gruͤne. Denn auch in
den Pflanzen wie in andern Koͤrpern, wenn ſie gruͤn
werden, geht das Gruͤne dem Gelben voraus.“

„In welcher Ordnung man auch die Farben zaͤhlt,
ſo iſt die mittlere immer roth. Am maͤchtigſten iſt hier
das flammende Roth, und dieſes entſteht nicht aus dem
Weißen und Schwarzen, ſondern es iſt dem Schwefel
ſeinen Urſprung ſchuldig. Und doch laſſen ſich aus dem

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[300/0334] „Aber eine andre Art des Weißen gibt es, wenn in einem durchſichtigen Koͤrper durch Einwirkung des Lichtes und der Waͤrme die zarteren Theile des Schwe- fels ſchmelzen und angezuͤndet werden: denn da auf dieſe Weiſe die Koͤrper austrocknen und duͤnner wer- den, ſo folgt daraus, daß auch verſchiedene neue Ober- flaͤchen entſtehen; und auf dieſe Art werden durchſich- tige Dinge, auch ehe die Tinctur des Schwefels hin- zutritt, weiß. Denn es iſt eine allgemeine Regel, daß jeder klein zerſtuͤckte Koͤrper weiß werde, und umge- kehrt, daß jeder weiße Koͤrper aus kleinen durchſichti- gen Theilen beſtehe.“ „Zunaͤchſt an der Weiße folgen zwey Farben, das blaͤſſere Gruͤn und das Gelbe. Iſt die Waͤrme ſchwach, die das, was ſchweflicht iſt, in den Koͤrpern aufloͤſen ſoll; ſo geht das Gruͤne voraus, welches roher und waͤßriger iſt als das Gelbe. Verurſacht aber die Waͤr- me eine maͤchtigere Kochung; ſo tritt ſogleich nach dem Weißen ein Gelbes hervor, das reifer iſt und feuriger. Folgt aber auf dieſe Art das Gelbe dem Weißen, ſo bleibt kein Platz mehr fuͤr das Gruͤne. Denn auch in den Pflanzen wie in andern Koͤrpern, wenn ſie gruͤn werden, geht das Gruͤne dem Gelben voraus.“ „In welcher Ordnung man auch die Farben zaͤhlt, ſo iſt die mittlere immer roth. Am maͤchtigſten iſt hier das flammende Roth, und dieſes entſteht nicht aus dem Weißen und Schwarzen, ſondern es iſt dem Schwefel ſeinen Urſprung ſchuldig. Und doch laſſen ſich aus dem

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/334>, abgerufen am 22.11.2024.