Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

hatte. Rubens und van Dyk glänzen unter den Co-
loristen der ersten Reihe; mit ihnen Rembrand,
ein großer Meister im Colorit und noch größerer im
künstlichen Gebrauch des Lichtes und des durch Wie-
derscheine unterbrochnen Schattens. David Tenier,
Adrian von Ostade, Gerard Douw, Mezü, Terburg,
und nebst ihnen noch viele andre sind als Coloristen
berühmt.

Die Eigenschaft aber, wodurch sich die nieder-
ländische Malerschule hinsichtlich auf das Colorit von
den andern im Allgemeinen unterscheidet, oder viel-
mehr worin sie andern vorgegangen, ist der Ton,
nicht derjenige, den die Kunstsprache Localton oder
Ton der Tinten heißt: denn wiewohl viele nieder-
ländische Künstler auch in diesem Puncte vortrefflich
waren, sind ihnen die Venezianer doch darin überlegen
gewesen; sondern wir verstehen hier die eine, im Ganzen
eines Bildes vorherrschende Farbe, eingemischt oder
als Lasur übergezogen, so daß die Darstellung dem Auge
wie durch das Medium eines gefärbten Glases erscheint.

Dieser Art, eine gefällige Uebereinstimmung der
Farben zu bewirken, scheint sich, wie oben gedacht
worden, Friedrich Barocci zuerst bedient zu haben;
aber sie ist bey den Niederländern nachher weiter
ausgebildet und häufiger gebraucht worden.

Zu eben der Zeit war auch die französische Schule
im Zustand ihres höchsten Flors; inzwischen gibt sie

hatte. Rubens und van Dyk glaͤnzen unter den Co-
loriſten der erſten Reihe; mit ihnen Rembrand,
ein großer Meiſter im Colorit und noch groͤßerer im
kuͤnſtlichen Gebrauch des Lichtes und des durch Wie-
derſcheine unterbrochnen Schattens. David Tenier,
Adrian von Oſtade, Gerard Douw, Mezuͤ, Terburg,
und nebſt ihnen noch viele andre ſind als Coloriſten
beruͤhmt.

Die Eigenſchaft aber, wodurch ſich die nieder-
laͤndiſche Malerſchule hinſichtlich auf das Colorit von
den andern im Allgemeinen unterſcheidet, oder viel-
mehr worin ſie andern vorgegangen, iſt der Ton,
nicht derjenige, den die Kunſtſprache Localton oder
Ton der Tinten heißt: denn wiewohl viele nieder-
laͤndiſche Kuͤnſtler auch in dieſem Puncte vortrefflich
waren, ſind ihnen die Venezianer doch darin uͤberlegen
geweſen; ſondern wir verſtehen hier die eine, im Ganzen
eines Bildes vorherrſchende Farbe, eingemiſcht oder
als Laſur uͤbergezogen, ſo daß die Darſtellung dem Auge
wie durch das Medium eines gefaͤrbten Glaſes erſcheint.

Dieſer Art, eine gefaͤllige Uebereinſtimmung der
Farben zu bewirken, ſcheint ſich, wie oben gedacht
worden, Friedrich Barocci zuerſt bedient zu haben;
aber ſie iſt bey den Niederlaͤndern nachher weiter
ausgebildet und haͤufiger gebraucht worden.

Zu eben der Zeit war auch die franzoͤſiſche Schule
im Zuſtand ihres hoͤchſten Flors; inzwiſchen gibt ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0400" n="366"/>
hatte. Rubens und van Dyk gla&#x0364;nzen unter den Co-<lb/>
lori&#x017F;ten der er&#x017F;ten Reihe; mit ihnen Rembrand,<lb/>
ein großer Mei&#x017F;ter im Colorit und noch gro&#x0364;ßerer im<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Gebrauch des Lichtes und des durch Wie-<lb/>
der&#x017F;cheine unterbrochnen Schattens. David Tenier,<lb/>
Adrian von O&#x017F;tade, Gerard Douw, Mezu&#x0364;, Terburg,<lb/>
und neb&#x017F;t ihnen noch viele andre &#x017F;ind als Colori&#x017F;ten<lb/>
beru&#x0364;hmt.</p><lb/>
          <p>Die Eigen&#x017F;chaft aber, wodurch &#x017F;ich die nieder-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;che Maler&#x017F;chule hin&#x017F;ichtlich auf das Colorit von<lb/>
den andern im Allgemeinen unter&#x017F;cheidet, oder viel-<lb/>
mehr worin &#x017F;ie andern vorgegangen, i&#x017F;t der Ton,<lb/>
nicht derjenige, den die Kun&#x017F;t&#x017F;prache Localton oder<lb/>
Ton der Tinten heißt: denn wiewohl viele nieder-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;che Ku&#x0364;n&#x017F;tler auch in die&#x017F;em Puncte vortrefflich<lb/>
waren, &#x017F;ind ihnen die Venezianer doch darin u&#x0364;berlegen<lb/>
gewe&#x017F;en; &#x017F;ondern wir ver&#x017F;tehen hier die eine, im Ganzen<lb/>
eines Bildes vorherr&#x017F;chende Farbe, eingemi&#x017F;cht oder<lb/>
als La&#x017F;ur u&#x0364;bergezogen, &#x017F;o daß die Dar&#x017F;tellung dem Auge<lb/>
wie durch das Medium eines gefa&#x0364;rbten Gla&#x017F;es er&#x017F;cheint.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er Art, eine gefa&#x0364;llige Ueberein&#x017F;timmung der<lb/>
Farben zu bewirken, &#x017F;cheint &#x017F;ich, wie oben gedacht<lb/>
worden, Friedrich Barocci zuer&#x017F;t bedient zu haben;<lb/>
aber &#x017F;ie i&#x017F;t bey den Niederla&#x0364;ndern nachher weiter<lb/>
ausgebildet und ha&#x0364;ufiger gebraucht worden.</p><lb/>
          <p>Zu eben der Zeit war auch die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Schule<lb/>
im Zu&#x017F;tand ihres ho&#x0364;ch&#x017F;ten Flors; inzwi&#x017F;chen gibt &#x017F;ie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0400] hatte. Rubens und van Dyk glaͤnzen unter den Co- loriſten der erſten Reihe; mit ihnen Rembrand, ein großer Meiſter im Colorit und noch groͤßerer im kuͤnſtlichen Gebrauch des Lichtes und des durch Wie- derſcheine unterbrochnen Schattens. David Tenier, Adrian von Oſtade, Gerard Douw, Mezuͤ, Terburg, und nebſt ihnen noch viele andre ſind als Coloriſten beruͤhmt. Die Eigenſchaft aber, wodurch ſich die nieder- laͤndiſche Malerſchule hinſichtlich auf das Colorit von den andern im Allgemeinen unterſcheidet, oder viel- mehr worin ſie andern vorgegangen, iſt der Ton, nicht derjenige, den die Kunſtſprache Localton oder Ton der Tinten heißt: denn wiewohl viele nieder- laͤndiſche Kuͤnſtler auch in dieſem Puncte vortrefflich waren, ſind ihnen die Venezianer doch darin uͤberlegen geweſen; ſondern wir verſtehen hier die eine, im Ganzen eines Bildes vorherrſchende Farbe, eingemiſcht oder als Laſur uͤbergezogen, ſo daß die Darſtellung dem Auge wie durch das Medium eines gefaͤrbten Glaſes erſcheint. Dieſer Art, eine gefaͤllige Uebereinſtimmung der Farben zu bewirken, ſcheint ſich, wie oben gedacht worden, Friedrich Barocci zuerſt bedient zu haben; aber ſie iſt bey den Niederlaͤndern nachher weiter ausgebildet und haͤufiger gebraucht worden. Zu eben der Zeit war auch die franzoͤſiſche Schule im Zuſtand ihres hoͤchſten Flors; inzwiſchen gibt ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/400
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/400>, abgerufen am 22.11.2024.