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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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für unsre gegenwärtige Betrachtung nur geringe Aus-
beute, weil kein Künstler derselben sich im Colorit
besonders hervorgethan. Das Fach der Landschaft
verehrt zwar in Claude Lorrain seinen größten Meister,
und vorzüglich ist das Colorit desselben im höchsten
Grade heiter, zart und wahrhaft; allein die Land-
schaftsmalerey läßt dem Coloristen, vermöge ihrer
Natur, weniger Freyheit und Spielraum als im
historischen Fache der Fall ist.

Von spanischen Malern sind dem Schreiber dieser
Nachrichten nur Velasquez und Morillo aus eigener
Anschauung einzelner Werke bekannt. Beyde scheinen
in Hinsicht auf das Colorit unter die vorzüglichsten
Meister ihrer Zeit zu gehören. Vom Velasquez be-
hauptete Mengs: derselbe stehe, in Betreff des Scheins
von Luft und Ablösung eines Gegenstandes vom
andern, selbst dem Rembrand nicht nach. Wir aber
haben nur Bildnisse von ihm gesehen, welche sich
durch kühnen Pinsel und wahre warme Fleischtin-
ten vortheilhaft auszeichnen. Morillo malte, wie sich
aus verschiedenen Bildern von ihm, welche sich
in deutschen Galerien befinden, ergibt, Gegenstände
aus dem gemeinen Leben anmuthig, mit kräftigem,
der Natur angemessenen Colorit; allein es finden sich
auch religiose Darstellungen, wo seine Farbe noch
wärmer und den besten venezianischen Malern nach-
geahmt scheint.

Wir wenden uns nun wieder nach Italien, wo-

fuͤr unſre gegenwaͤrtige Betrachtung nur geringe Aus-
beute, weil kein Kuͤnſtler derſelben ſich im Colorit
beſonders hervorgethan. Das Fach der Landſchaft
verehrt zwar in Claude Lorrain ſeinen groͤßten Meiſter,
und vorzuͤglich iſt das Colorit deſſelben im hoͤchſten
Grade heiter, zart und wahrhaft; allein die Land-
ſchaftsmalerey laͤßt dem Coloriſten, vermoͤge ihrer
Natur, weniger Freyheit und Spielraum als im
hiſtoriſchen Fache der Fall iſt.

Von ſpaniſchen Malern ſind dem Schreiber dieſer
Nachrichten nur Velasquez und Morillo aus eigener
Anſchauung einzelner Werke bekannt. Beyde ſcheinen
in Hinſicht auf das Colorit unter die vorzuͤglichſten
Meiſter ihrer Zeit zu gehoͤren. Vom Velasquez be-
hauptete Mengs: derſelbe ſtehe, in Betreff des Scheins
von Luft und Abloͤſung eines Gegenſtandes vom
andern, ſelbſt dem Rembrand nicht nach. Wir aber
haben nur Bildniſſe von ihm geſehen, welche ſich
durch kuͤhnen Pinſel und wahre warme Fleiſchtin-
ten vortheilhaft auszeichnen. Morillo malte, wie ſich
aus verſchiedenen Bildern von ihm, welche ſich
in deutſchen Galerien befinden, ergibt, Gegenſtaͤnde
aus dem gemeinen Leben anmuthig, mit kraͤftigem,
der Natur angemeſſenen Colorit; allein es finden ſich
auch religioſe Darſtellungen, wo ſeine Farbe noch
waͤrmer und den beſten venezianiſchen Malern nach-
geahmt ſcheint.

Wir wenden uns nun wieder nach Italien, wo-

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[367/0401] fuͤr unſre gegenwaͤrtige Betrachtung nur geringe Aus- beute, weil kein Kuͤnſtler derſelben ſich im Colorit beſonders hervorgethan. Das Fach der Landſchaft verehrt zwar in Claude Lorrain ſeinen groͤßten Meiſter, und vorzuͤglich iſt das Colorit deſſelben im hoͤchſten Grade heiter, zart und wahrhaft; allein die Land- ſchaftsmalerey laͤßt dem Coloriſten, vermoͤge ihrer Natur, weniger Freyheit und Spielraum als im hiſtoriſchen Fache der Fall iſt. Von ſpaniſchen Malern ſind dem Schreiber dieſer Nachrichten nur Velasquez und Morillo aus eigener Anſchauung einzelner Werke bekannt. Beyde ſcheinen in Hinſicht auf das Colorit unter die vorzuͤglichſten Meiſter ihrer Zeit zu gehoͤren. Vom Velasquez be- hauptete Mengs: derſelbe ſtehe, in Betreff des Scheins von Luft und Abloͤſung eines Gegenſtandes vom andern, ſelbſt dem Rembrand nicht nach. Wir aber haben nur Bildniſſe von ihm geſehen, welche ſich durch kuͤhnen Pinſel und wahre warme Fleiſchtin- ten vortheilhaft auszeichnen. Morillo malte, wie ſich aus verſchiedenen Bildern von ihm, welche ſich in deutſchen Galerien befinden, ergibt, Gegenſtaͤnde aus dem gemeinen Leben anmuthig, mit kraͤftigem, der Natur angemeſſenen Colorit; allein es finden ſich auch religioſe Darſtellungen, wo ſeine Farbe noch waͤrmer und den beſten venezianiſchen Malern nach- geahmt ſcheint. Wir wenden uns nun wieder nach Italien, wo-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/401>, abgerufen am 21.11.2024.