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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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selbst Pietro Beretini von Cortona zu Rom, unter
Pabst Urban dem achten, und einigen folgenden
Päbsten, viele große Werke in Oelfarben und al Fresco
ausgeführt. Unerschöpflich reich in Erfindungen be-
handelte er seine Bilder mit einem zwar sehr flüchtigen,
aber angenehmen Pinsel und wußte das Colorit so-
wohl als die Beleuchtung, nach Erforderniß des
Gegenstandes, bald heiter und fröhlich, bald ernst
und sehr kräftig zu halten. Warum er uns aber bey
unsern gegenwärtigen Betrachtungen vorzüglich merk-
würdig seyn muß, ist die Austheilung der Farben zum
Behuf allgemeiner Harmonie; und wir getrauen uns
zu behaupten, daß Beretini hierin der größte Meister
gewesen.

Schon oben bemerkten wir, wie die vornehmsten
Maler der venezianischen Schule die Energie der
rothen Farbe erkannt, solche in ungefähr gleichen Massen
durch ihre Bilder ausgetheilt und ihr verhältnißmäßig
viel Gelb zugesellt, woraus eine harmonische, obgleich
streng genommen etwas monotone Wirkung entsprang.
Correggio besaß ein zartes und lebhaftes Gefühl für
die Harmonie der Farben; dieses leitete ihn oft richtig,
doch scheint er die Regeln, worauf Harmonie sich
gründet, nicht erforscht zu haben, deswegen er sich zu-
weilen durch Mischungen zu helfen sucht. Auch wurde
durch schöne Beleuchtung, milde Uebergänge, vortreff-
liche Mäßigung und Abstufung des Lichtes, oder was
man sonst Haltung zu nennen pflegt, jener Mangel
gleichsam zugedeckt und unmerklich gemacht. Den

ſelbſt Pietro Beretini von Cortona zu Rom, unter
Pabſt Urban dem achten, und einigen folgenden
Paͤbſten, viele große Werke in Oelfarben und al Fresco
ausgefuͤhrt. Unerſchoͤpflich reich in Erfindungen be-
handelte er ſeine Bilder mit einem zwar ſehr fluͤchtigen,
aber angenehmen Pinſel und wußte das Colorit ſo-
wohl als die Beleuchtung, nach Erforderniß des
Gegenſtandes, bald heiter und froͤhlich, bald ernſt
und ſehr kraͤftig zu halten. Warum er uns aber bey
unſern gegenwaͤrtigen Betrachtungen vorzuͤglich merk-
wuͤrdig ſeyn muß, iſt die Austheilung der Farben zum
Behuf allgemeiner Harmonie; und wir getrauen uns
zu behaupten, daß Beretini hierin der groͤßte Meiſter
geweſen.

Schon oben bemerkten wir, wie die vornehmſten
Maler der venezianiſchen Schule die Energie der
rothen Farbe erkannt, ſolche in ungefaͤhr gleichen Maſſen
durch ihre Bilder ausgetheilt und ihr verhaͤltnißmaͤßig
viel Gelb zugeſellt, woraus eine harmoniſche, obgleich
ſtreng genommen etwas monotone Wirkung entſprang.
Correggio beſaß ein zartes und lebhaftes Gefuͤhl fuͤr
die Harmonie der Farben; dieſes leitete ihn oft richtig,
doch ſcheint er die Regeln, worauf Harmonie ſich
gruͤndet, nicht erforſcht zu haben, deswegen er ſich zu-
weilen durch Miſchungen zu helfen ſucht. Auch wurde
durch ſchoͤne Beleuchtung, milde Uebergaͤnge, vortreff-
liche Maͤßigung und Abſtufung des Lichtes, oder was
man ſonſt Haltung zu nennen pflegt, jener Mangel
gleichſam zugedeckt und unmerklich gemacht. Den

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[368/0402] ſelbſt Pietro Beretini von Cortona zu Rom, unter Pabſt Urban dem achten, und einigen folgenden Paͤbſten, viele große Werke in Oelfarben und al Fresco ausgefuͤhrt. Unerſchoͤpflich reich in Erfindungen be- handelte er ſeine Bilder mit einem zwar ſehr fluͤchtigen, aber angenehmen Pinſel und wußte das Colorit ſo- wohl als die Beleuchtung, nach Erforderniß des Gegenſtandes, bald heiter und froͤhlich, bald ernſt und ſehr kraͤftig zu halten. Warum er uns aber bey unſern gegenwaͤrtigen Betrachtungen vorzuͤglich merk- wuͤrdig ſeyn muß, iſt die Austheilung der Farben zum Behuf allgemeiner Harmonie; und wir getrauen uns zu behaupten, daß Beretini hierin der groͤßte Meiſter geweſen. Schon oben bemerkten wir, wie die vornehmſten Maler der venezianiſchen Schule die Energie der rothen Farbe erkannt, ſolche in ungefaͤhr gleichen Maſſen durch ihre Bilder ausgetheilt und ihr verhaͤltnißmaͤßig viel Gelb zugeſellt, woraus eine harmoniſche, obgleich ſtreng genommen etwas monotone Wirkung entſprang. Correggio beſaß ein zartes und lebhaftes Gefuͤhl fuͤr die Harmonie der Farben; dieſes leitete ihn oft richtig, doch ſcheint er die Regeln, worauf Harmonie ſich gruͤndet, nicht erforſcht zu haben, deswegen er ſich zu- weilen durch Miſchungen zu helfen ſucht. Auch wurde durch ſchoͤne Beleuchtung, milde Uebergaͤnge, vortreff- liche Maͤßigung und Abſtufung des Lichtes, oder was man ſonſt Haltung zu nennen pflegt, jener Mangel gleichſam zugedeckt und unmerklich gemacht. Den

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/402>, abgerufen am 21.11.2024.