größerem Ernst, einem strengeren reineren Styl, beson- ders in der Zeichnung, zurückgeführt wurde. Sein Colorit, vorzüglich in Fresco-Gemälden, ist schön und warm. Er bediente sich überhaupt gern der lebhaften, hohen, glänzenden Farben; indessen haben wir weder am Parnaß in der Villa Albani, noch im Manu- scriptenzimmer der vaticanischen Bibliothek eine kunst- mäßige Vertheilung der Farben nach Regeln bemerken können. Im Deckenstück der Kirche San Eusebio, dem frühsten öffentlichen Werke des Künstlers in Rom, hat er die gefällige Uebereinstimmung des Ganzen durch gelben Ton zu bewirken gesucht, der auch an diesem Orte und Gegenstand schicklich angebracht ist.
Die Schüler und Nachahmer von Mengs, Knoller, Unterberger, der jüngere Conca und andre, haben sich sämmtlich heller Farben in ihren Werken beflissen; aber keiner derselben hat in diesem Theil der Kunst einige Vorschritte gemacht, oder sich um Erforschung der wahren Regeln bemüht. Alle sind, wo sie sich nicht durch gelben Ton halten, entweder bunt und unruhig, oder frostig und unfreundlich geworden, wie solches besonders dem Schwager von Mengs, Maron, in historischen Darstellungen mit Oelfarben fast immer begegnet ist.
Angelica Kauffmann folgte, in Hinsicht auf das Colorit, ebenfalls der von Mengs eingeführten Weise und liebte neben frischen Fleischtinten die Anwendung heller fröhlicher Farben. Ihr schönes Talent, ihre
groͤßerem Ernſt, einem ſtrengeren reineren Styl, beſon- ders in der Zeichnung, zuruͤckgefuͤhrt wurde. Sein Colorit, vorzuͤglich in Fresco-Gemaͤlden, iſt ſchoͤn und warm. Er bediente ſich uͤberhaupt gern der lebhaften, hohen, glaͤnzenden Farben; indeſſen haben wir weder am Parnaß in der Villa Albani, noch im Manu- ſcriptenzimmer der vaticaniſchen Bibliothek eine kunſt- maͤßige Vertheilung der Farben nach Regeln bemerken koͤnnen. Im Deckenſtuͤck der Kirche San Euſebio, dem fruͤhſten oͤffentlichen Werke des Kuͤnſtlers in Rom, hat er die gefaͤllige Uebereinſtimmung des Ganzen durch gelben Ton zu bewirken geſucht, der auch an dieſem Orte und Gegenſtand ſchicklich angebracht iſt.
Die Schuͤler und Nachahmer von Mengs, Knoller, Unterberger, der juͤngere Conca und andre, haben ſich ſaͤmmtlich heller Farben in ihren Werken befliſſen; aber keiner derſelben hat in dieſem Theil der Kunſt einige Vorſchritte gemacht, oder ſich um Erforſchung der wahren Regeln bemuͤht. Alle ſind, wo ſie ſich nicht durch gelben Ton halten, entweder bunt und unruhig, oder froſtig und unfreundlich geworden, wie ſolches beſonders dem Schwager von Mengs, Maron, in hiſtoriſchen Darſtellungen mit Oelfarben faſt immer begegnet iſt.
Angelica Kauffmann folgte, in Hinſicht auf das Colorit, ebenfalls der von Mengs eingefuͤhrten Weiſe und liebte neben friſchen Fleiſchtinten die Anwendung heller froͤhlicher Farben. Ihr ſchoͤnes Talent, ihre
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groͤßerem Ernſt, einem ſtrengeren reineren Styl, beſon-
ders in der Zeichnung, zuruͤckgefuͤhrt wurde. Sein
Colorit, vorzuͤglich in Fresco-Gemaͤlden, iſt ſchoͤn und
warm. Er bediente ſich uͤberhaupt gern der lebhaften,
hohen, glaͤnzenden Farben; indeſſen haben wir weder
am Parnaß in der Villa Albani, noch im Manu-
ſcriptenzimmer der vaticaniſchen Bibliothek eine kunſt-
maͤßige Vertheilung der Farben nach Regeln bemerken
koͤnnen. Im Deckenſtuͤck der Kirche San Euſebio,
dem fruͤhſten oͤffentlichen Werke des Kuͤnſtlers in Rom,
hat er die gefaͤllige Uebereinſtimmung des Ganzen
durch gelben Ton zu bewirken geſucht, der auch an
dieſem Orte und Gegenſtand ſchicklich angebracht iſt.
Die Schuͤler und Nachahmer von Mengs, Knoller,
Unterberger, der juͤngere Conca und andre, haben ſich
ſaͤmmtlich heller Farben in ihren Werken befliſſen;
aber keiner derſelben hat in dieſem Theil der Kunſt
einige Vorſchritte gemacht, oder ſich um Erforſchung
der wahren Regeln bemuͤht. Alle ſind, wo ſie ſich
nicht durch gelben Ton halten, entweder bunt und
unruhig, oder froſtig und unfreundlich geworden,
wie ſolches beſonders dem Schwager von Mengs,
Maron, in hiſtoriſchen Darſtellungen mit Oelfarben
faſt immer begegnet iſt.
Angelica Kauffmann folgte, in Hinſicht auf das
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und liebte neben friſchen Fleiſchtinten die Anwendung
heller froͤhlicher Farben. Ihr ſchoͤnes Talent, ihre
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/408>, abgerufen am 21.11.2024.
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