Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

natürliche Neigung zum Gefälligen, Milden, Sanften
hat sie indeß vor allem Uebermaß behütet; daher sind
ihre Bilder auch durchgängig munter und erfreulich,
wenn schon die Harmonie der Farben durch sie nicht
in völliger Ausübung erschien, so daß wir ihr keine
Musterhaftigkeit in diesem Stück zugestehen können.

Pompeo Battoni galt von der Mitte des ver-
gangenen Jahrhunderts an bis zu seinem Tode, welcher
um 1790 erfolgte, für den besten italiänischen Maler
und wurde so lange Mengs lebte als der Nebenbuhler
desselben um den höchsten Ruhm in der Kunst betrach-
tet. Er war noch dem sogenannten academischen
Styl, der sich unter Sacchi und Maratti gebildet
hatte, zugethan, und nach den Bedingungen desselben
ist z. B. sein großes Gemälde vom Fall Simons des
Zauberers unstreitig ein sehr verdienstliches Werk.
Das Colorit ist kräftig, sehr lebhaft, aber in Hinsicht
auf Harmonie der Farben kann weder diesem noch
einem andern von Battoni's Werken einiger Werth
beygelegt werden. Je figurenreicher sie sind, je weniger
Befriedigung gewähren sie dem Auge. Das gedachte
große Gemälde zeigt bloß ein unruhiges Gewirre will-
kührlich zusammengestellter bunter Farben.

Hier haben wir wie billig auch der Maler aus
England mit wenigem zu gedenken. Reinolds gehört
allerdings zu den besten Bildnißmalern des abgelaufenen
Jahrhunderts, und West hat im historischen Fach, nach
Maßgabe des Zustandes der Kunst im Allgemeinen,

natuͤrliche Neigung zum Gefaͤlligen, Milden, Sanften
hat ſie indeß vor allem Uebermaß behuͤtet; daher ſind
ihre Bilder auch durchgaͤngig munter und erfreulich,
wenn ſchon die Harmonie der Farben durch ſie nicht
in voͤlliger Ausuͤbung erſchien, ſo daß wir ihr keine
Muſterhaftigkeit in dieſem Stuͤck zugeſtehen koͤnnen.

Pompeo Battoni galt von der Mitte des ver-
gangenen Jahrhunderts an bis zu ſeinem Tode, welcher
um 1790 erfolgte, fuͤr den beſten italiaͤniſchen Maler
und wurde ſo lange Mengs lebte als der Nebenbuhler
deſſelben um den hoͤchſten Ruhm in der Kunſt betrach-
tet. Er war noch dem ſogenannten academiſchen
Styl, der ſich unter Sacchi und Maratti gebildet
hatte, zugethan, und nach den Bedingungen deſſelben
iſt z. B. ſein großes Gemaͤlde vom Fall Simons des
Zauberers unſtreitig ein ſehr verdienſtliches Werk.
Das Colorit iſt kraͤftig, ſehr lebhaft, aber in Hinſicht
auf Harmonie der Farben kann weder dieſem noch
einem andern von Battoni’s Werken einiger Werth
beygelegt werden. Je figurenreicher ſie ſind, je weniger
Befriedigung gewaͤhren ſie dem Auge. Das gedachte
große Gemaͤlde zeigt bloß ein unruhiges Gewirre will-
kuͤhrlich zuſammengeſtellter bunter Farben.

Hier haben wir wie billig auch der Maler aus
England mit wenigem zu gedenken. Reinolds gehoͤrt
allerdings zu den beſten Bildnißmalern des abgelaufenen
Jahrhunderts, und Weſt hat im hiſtoriſchen Fach, nach
Maßgabe des Zuſtandes der Kunſt im Allgemeinen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0409" n="375"/>
natu&#x0364;rliche Neigung zum Gefa&#x0364;lligen, Milden, Sanften<lb/>
hat &#x017F;ie indeß vor allem Uebermaß behu&#x0364;tet; daher &#x017F;ind<lb/>
ihre Bilder auch durchga&#x0364;ngig munter und erfreulich,<lb/>
wenn &#x017F;chon die Harmonie der Farben durch &#x017F;ie nicht<lb/>
in vo&#x0364;lliger Ausu&#x0364;bung er&#x017F;chien, &#x017F;o daß wir ihr keine<lb/>
Mu&#x017F;terhaftigkeit in die&#x017F;em Stu&#x0364;ck zuge&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Pompeo Battoni galt von der Mitte des ver-<lb/>
gangenen Jahrhunderts an bis zu &#x017F;einem Tode, welcher<lb/>
um 1790 erfolgte, fu&#x0364;r den be&#x017F;ten italia&#x0364;ni&#x017F;chen Maler<lb/>
und wurde &#x017F;o lange Mengs lebte als der Nebenbuhler<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben um den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Ruhm in der Kun&#x017F;t betrach-<lb/>
tet. Er war noch dem &#x017F;ogenannten academi&#x017F;chen<lb/>
Styl, der &#x017F;ich unter Sacchi und Maratti gebildet<lb/>
hatte, zugethan, und nach den Bedingungen de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
i&#x017F;t z. B. &#x017F;ein großes Gema&#x0364;lde vom Fall Simons des<lb/>
Zauberers un&#x017F;treitig ein &#x017F;ehr verdien&#x017F;tliches Werk.<lb/>
Das Colorit i&#x017F;t kra&#x0364;ftig, &#x017F;ehr lebhaft, aber in Hin&#x017F;icht<lb/>
auf Harmonie der Farben kann weder die&#x017F;em noch<lb/>
einem andern von Battoni&#x2019;s Werken einiger Werth<lb/>
beygelegt werden. Je figurenreicher &#x017F;ie &#x017F;ind, je weniger<lb/>
Befriedigung gewa&#x0364;hren &#x017F;ie dem Auge. Das gedachte<lb/>
große Gema&#x0364;lde zeigt bloß ein unruhiges Gewirre will-<lb/>
ku&#x0364;hrlich zu&#x017F;ammenge&#x017F;tellter bunter Farben.</p><lb/>
          <p>Hier haben wir wie billig auch der Maler aus<lb/>
England mit wenigem zu gedenken. Reinolds geho&#x0364;rt<lb/>
allerdings zu den be&#x017F;ten Bildnißmalern des abgelaufenen<lb/>
Jahrhunderts, und We&#x017F;t hat im hi&#x017F;tori&#x017F;chen Fach, nach<lb/>
Maßgabe des Zu&#x017F;tandes der Kun&#x017F;t im Allgemeinen,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[375/0409] natuͤrliche Neigung zum Gefaͤlligen, Milden, Sanften hat ſie indeß vor allem Uebermaß behuͤtet; daher ſind ihre Bilder auch durchgaͤngig munter und erfreulich, wenn ſchon die Harmonie der Farben durch ſie nicht in voͤlliger Ausuͤbung erſchien, ſo daß wir ihr keine Muſterhaftigkeit in dieſem Stuͤck zugeſtehen koͤnnen. Pompeo Battoni galt von der Mitte des ver- gangenen Jahrhunderts an bis zu ſeinem Tode, welcher um 1790 erfolgte, fuͤr den beſten italiaͤniſchen Maler und wurde ſo lange Mengs lebte als der Nebenbuhler deſſelben um den hoͤchſten Ruhm in der Kunſt betrach- tet. Er war noch dem ſogenannten academiſchen Styl, der ſich unter Sacchi und Maratti gebildet hatte, zugethan, und nach den Bedingungen deſſelben iſt z. B. ſein großes Gemaͤlde vom Fall Simons des Zauberers unſtreitig ein ſehr verdienſtliches Werk. Das Colorit iſt kraͤftig, ſehr lebhaft, aber in Hinſicht auf Harmonie der Farben kann weder dieſem noch einem andern von Battoni’s Werken einiger Werth beygelegt werden. Je figurenreicher ſie ſind, je weniger Befriedigung gewaͤhren ſie dem Auge. Das gedachte große Gemaͤlde zeigt bloß ein unruhiges Gewirre will- kuͤhrlich zuſammengeſtellter bunter Farben. Hier haben wir wie billig auch der Maler aus England mit wenigem zu gedenken. Reinolds gehoͤrt allerdings zu den beſten Bildnißmalern des abgelaufenen Jahrhunderts, und Weſt hat im hiſtoriſchen Fach, nach Maßgabe des Zuſtandes der Kunſt im Allgemeinen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/409
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/409>, abgerufen am 22.11.2024.