und befördern, welches nicht anders als mit Beyrath der sämmtlichen Gesellschaft geschieht."
Von dieser glücklichen Sonderung und Zusammen- stellung ist keine Spur in dem Verfahren der Societät, und eben so geht es auch mit ihren nach und nach sich anhäufenden Besitzungen. Wie sie jeden Naturfreund ohne Unterschied des Ranges und Standes für socie- tätsfähig erklärt hatte, eben so bekannt war es, daß sie alles was sich nur einigermaßen auf Natur bezog, annehmen und bey sich aufbewahren wolle. Bey der allgemeinen Theilnahme die sie erregte, fand sich ein gro- ßer Zufluß ein, wie es bey allen empirischen Anhäufungen und Sammlungen zu geschehen pflegt. Der König, der Adel, Gelehrte, Oekonomen, Reisende, Kaufleute, Handwerker, alles drängte sich zu, mit Gaben und Merkwürdigkeiten. Aber auch hier scheint man vor ir- gend einer Ordnung Scheu gehabt zu haben, wenig- stens sieht man in der frühern Zeit keine Anstalt ihre Vorräthe zu rangiren, Catalogen darüber zu machen und dadurch auf Vollständigkeit auch nur von ferne hinzudeuten. Will man sie durch die Beschränktheit und Unsicherheit ihres Locals entschuldigen, so lassen wir diesen Einwurf nur zum Theil gelten: denn durch einen wahren Ordnungsgeist wären diese Hindernisse wohl zu überwinden gewesen.
Jede einseitige Maxime muß, wenn sie auch zu gewissen Zwecken tauglich gefunden wird, sich zu an- dern unzulänglich, ja schädlich erzeigen. Sprat mag
und befoͤrdern, welches nicht anders als mit Beyrath der ſaͤmmtlichen Geſellſchaft geſchieht.“
Von dieſer gluͤcklichen Sonderung und Zuſammen- ſtellung iſt keine Spur in dem Verfahren der Societaͤt, und eben ſo geht es auch mit ihren nach und nach ſich anhaͤufenden Beſitzungen. Wie ſie jeden Naturfreund ohne Unterſchied des Ranges und Standes fuͤr ſocie- taͤtsfaͤhig erklaͤrt hatte, eben ſo bekannt war es, daß ſie alles was ſich nur einigermaßen auf Natur bezog, annehmen und bey ſich aufbewahren wolle. Bey der allgemeinen Theilnahme die ſie erregte, fand ſich ein gro- ßer Zufluß ein, wie es bey allen empiriſchen Anhaͤufungen und Sammlungen zu geſchehen pflegt. Der Koͤnig, der Adel, Gelehrte, Oekonomen, Reiſende, Kaufleute, Handwerker, alles draͤngte ſich zu, mit Gaben und Merkwuͤrdigkeiten. Aber auch hier ſcheint man vor ir- gend einer Ordnung Scheu gehabt zu haben, wenig- ſtens ſieht man in der fruͤhern Zeit keine Anſtalt ihre Vorraͤthe zu rangiren, Catalogen daruͤber zu machen und dadurch auf Vollſtaͤndigkeit auch nur von ferne hinzudeuten. Will man ſie durch die Beſchraͤnktheit und Unſicherheit ihres Locals entſchuldigen, ſo laſſen wir dieſen Einwurf nur zum Theil gelten: denn durch einen wahren Ordnungsgeiſt waͤren dieſe Hinderniſſe wohl zu uͤberwinden geweſen.
Jede einſeitige Maxime muß, wenn ſie auch zu gewiſſen Zwecken tauglich gefunden wird, ſich zu an- dern unzulaͤnglich, ja ſchaͤdlich erzeigen. Sprat mag
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0430"n="396"/>
und befoͤrdern, welches nicht anders als mit Beyrath<lb/>
der ſaͤmmtlichen Geſellſchaft geſchieht.“</p><lb/><p>Von dieſer gluͤcklichen Sonderung und Zuſammen-<lb/>ſtellung iſt keine Spur in dem Verfahren der Societaͤt,<lb/>
und eben ſo geht es auch mit ihren nach und nach ſich<lb/>
anhaͤufenden Beſitzungen. Wie ſie jeden Naturfreund<lb/>
ohne Unterſchied des Ranges und Standes fuͤr ſocie-<lb/>
taͤtsfaͤhig erklaͤrt hatte, eben ſo bekannt war es, daß<lb/>ſie alles was ſich nur einigermaßen auf Natur bezog,<lb/>
annehmen und bey ſich aufbewahren wolle. Bey der<lb/>
allgemeinen Theilnahme die ſie erregte, fand ſich ein gro-<lb/>
ßer Zufluß ein, wie es bey allen empiriſchen Anhaͤufungen<lb/>
und Sammlungen zu geſchehen pflegt. Der Koͤnig,<lb/>
der Adel, Gelehrte, Oekonomen, Reiſende, Kaufleute,<lb/>
Handwerker, alles draͤngte ſich zu, mit Gaben und<lb/>
Merkwuͤrdigkeiten. Aber auch hier ſcheint man vor ir-<lb/>
gend einer Ordnung Scheu gehabt zu haben, wenig-<lb/>ſtens ſieht man in der fruͤhern Zeit keine Anſtalt ihre<lb/>
Vorraͤthe zu rangiren, Catalogen daruͤber zu machen<lb/>
und dadurch auf Vollſtaͤndigkeit auch nur von ferne<lb/>
hinzudeuten. Will man ſie durch die Beſchraͤnktheit<lb/>
und Unſicherheit ihres Locals entſchuldigen, ſo laſſen<lb/>
wir dieſen Einwurf nur zum Theil gelten: denn durch<lb/>
einen wahren Ordnungsgeiſt waͤren dieſe Hinderniſſe<lb/>
wohl zu uͤberwinden geweſen.</p><lb/><p>Jede einſeitige Maxime muß, wenn ſie auch zu<lb/>
gewiſſen Zwecken tauglich gefunden wird, ſich zu an-<lb/>
dern unzulaͤnglich, ja ſchaͤdlich erzeigen. Sprat mag<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[396/0430]
und befoͤrdern, welches nicht anders als mit Beyrath
der ſaͤmmtlichen Geſellſchaft geſchieht.“
Von dieſer gluͤcklichen Sonderung und Zuſammen-
ſtellung iſt keine Spur in dem Verfahren der Societaͤt,
und eben ſo geht es auch mit ihren nach und nach ſich
anhaͤufenden Beſitzungen. Wie ſie jeden Naturfreund
ohne Unterſchied des Ranges und Standes fuͤr ſocie-
taͤtsfaͤhig erklaͤrt hatte, eben ſo bekannt war es, daß
ſie alles was ſich nur einigermaßen auf Natur bezog,
annehmen und bey ſich aufbewahren wolle. Bey der
allgemeinen Theilnahme die ſie erregte, fand ſich ein gro-
ßer Zufluß ein, wie es bey allen empiriſchen Anhaͤufungen
und Sammlungen zu geſchehen pflegt. Der Koͤnig,
der Adel, Gelehrte, Oekonomen, Reiſende, Kaufleute,
Handwerker, alles draͤngte ſich zu, mit Gaben und
Merkwuͤrdigkeiten. Aber auch hier ſcheint man vor ir-
gend einer Ordnung Scheu gehabt zu haben, wenig-
ſtens ſieht man in der fruͤhern Zeit keine Anſtalt ihre
Vorraͤthe zu rangiren, Catalogen daruͤber zu machen
und dadurch auf Vollſtaͤndigkeit auch nur von ferne
hinzudeuten. Will man ſie durch die Beſchraͤnktheit
und Unſicherheit ihres Locals entſchuldigen, ſo laſſen
wir dieſen Einwurf nur zum Theil gelten: denn durch
einen wahren Ordnungsgeiſt waͤren dieſe Hinderniſſe
wohl zu uͤberwinden geweſen.
Jede einſeitige Maxime muß, wenn ſie auch zu
gewiſſen Zwecken tauglich gefunden wird, ſich zu an-
dern unzulaͤnglich, ja ſchaͤdlich erzeigen. Sprat mag
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/430>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.