mit noch so vieler Beredtsamkeit den Vorsatz der Ge- sellschaft, nicht zu theoretisiren, nicht zu methodisiren, nicht zu ordnen, rühmen und vertheidigen, hinter sei- nen vielen Argumenten glaubt man nur sein böses Gewissen zu entdecken; und man darf nur den Gang des Societätsgeschäftes in den Protokollen einige Jahre verfolgen, so sieht man, daß sie die aus ihrer Maxime entspringenden Mängel gar wohl nach und nach be- merkt und dagegen, jedoch leider unzulängliche, An- ordnungen macht.
Die Experimente sollen nicht aus dem Stegreife vorgelegt, sondern in der vorhergehenden Session an- gezeigt werden; man ordnet Versuche in gewissen Fol- gen an, man setzt Committees nieder, welche, im Vor- beygehen sey es gesagt, in politischen und praktischen Fällen gut seyn mögen, in wissenschaftlichen Dingen aber gar nichts taugen. Neigung oder Abneigung, vorgefaßte Meynung der Commissarien sind hier nicht so leicht wie dort zu controliren. Ferner verlangt man Gutachten und Uebersichten; da aber nichts zusammen- hängt, so wird eins über das andere vergessen. Sel- ten geschieht was man sich vorgesetzt hatte, und wenn es geschieht, so ist es meistentheils nicht auslangend noch hinreichend. Und nach welchem Maaßstab soll es gemessen, von wem soll es beurtheilt werden?
Vielleicht ist hieran auch der im Anfang monat- liche Präsidentenwechsel Schuld; so wie auch hier die Ungewißheit und Unzulänglichkeit des Locals, der Man-
mit noch ſo vieler Beredtſamkeit den Vorſatz der Ge- ſellſchaft, nicht zu theoretiſiren, nicht zu methodiſiren, nicht zu ordnen, ruͤhmen und vertheidigen, hinter ſei- nen vielen Argumenten glaubt man nur ſein boͤſes Gewiſſen zu entdecken; und man darf nur den Gang des Societaͤtsgeſchaͤftes in den Protokollen einige Jahre verfolgen, ſo ſieht man, daß ſie die aus ihrer Maxime entſpringenden Maͤngel gar wohl nach und nach be- merkt und dagegen, jedoch leider unzulaͤngliche, An- ordnungen macht.
Die Experimente ſollen nicht aus dem Stegreife vorgelegt, ſondern in der vorhergehenden Seſſion an- gezeigt werden; man ordnet Verſuche in gewiſſen Fol- gen an, man ſetzt Committees nieder, welche, im Vor- beygehen ſey es geſagt, in politiſchen und praktiſchen Faͤllen gut ſeyn moͤgen, in wiſſenſchaftlichen Dingen aber gar nichts taugen. Neigung oder Abneigung, vorgefaßte Meynung der Commiſſarien ſind hier nicht ſo leicht wie dort zu controliren. Ferner verlangt man Gutachten und Ueberſichten; da aber nichts zuſammen- haͤngt, ſo wird eins uͤber das andere vergeſſen. Sel- ten geſchieht was man ſich vorgeſetzt hatte, und wenn es geſchieht, ſo iſt es meiſtentheils nicht auslangend noch hinreichend. Und nach welchem Maaßſtab ſoll es gemeſſen, von wem ſoll es beurtheilt werden?
Vielleicht iſt hieran auch der im Anfang monat- liche Praͤſidentenwechſel Schuld; ſo wie auch hier die Ungewißheit und Unzulaͤnglichkeit des Locals, der Man-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0431"n="397"/>
mit noch ſo vieler Beredtſamkeit den Vorſatz der Ge-<lb/>ſellſchaft, nicht zu theoretiſiren, nicht zu methodiſiren,<lb/>
nicht zu ordnen, ruͤhmen und vertheidigen, hinter ſei-<lb/>
nen vielen Argumenten glaubt man nur ſein boͤſes<lb/>
Gewiſſen zu entdecken; und man darf nur den Gang<lb/>
des Societaͤtsgeſchaͤftes in den Protokollen einige Jahre<lb/>
verfolgen, ſo ſieht man, daß ſie die aus ihrer Maxime<lb/>
entſpringenden Maͤngel gar wohl nach und nach be-<lb/>
merkt und dagegen, jedoch leider unzulaͤngliche, An-<lb/>
ordnungen macht.</p><lb/><p>Die Experimente ſollen nicht aus dem Stegreife<lb/>
vorgelegt, ſondern in der vorhergehenden Seſſion an-<lb/>
gezeigt werden; man ordnet Verſuche in gewiſſen Fol-<lb/>
gen an, man ſetzt Committees nieder, welche, im Vor-<lb/>
beygehen ſey es geſagt, in politiſchen und praktiſchen<lb/>
Faͤllen gut ſeyn moͤgen, in wiſſenſchaftlichen Dingen<lb/>
aber gar nichts taugen. Neigung oder Abneigung,<lb/>
vorgefaßte Meynung der Commiſſarien ſind hier nicht<lb/>ſo leicht wie dort zu controliren. Ferner verlangt man<lb/>
Gutachten und Ueberſichten; da aber nichts zuſammen-<lb/>
haͤngt, ſo wird eins uͤber das andere vergeſſen. Sel-<lb/>
ten geſchieht was man ſich vorgeſetzt hatte, und wenn<lb/>
es geſchieht, ſo iſt es meiſtentheils nicht auslangend<lb/>
noch hinreichend. Und nach welchem Maaßſtab ſoll es<lb/>
gemeſſen, von wem ſoll es beurtheilt werden?</p><lb/><p>Vielleicht iſt hieran auch der im Anfang monat-<lb/>
liche Praͤſidentenwechſel Schuld; ſo wie auch hier die<lb/>
Ungewißheit und Unzulaͤnglichkeit des Locals, der Man-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[397/0431]
mit noch ſo vieler Beredtſamkeit den Vorſatz der Ge-
ſellſchaft, nicht zu theoretiſiren, nicht zu methodiſiren,
nicht zu ordnen, ruͤhmen und vertheidigen, hinter ſei-
nen vielen Argumenten glaubt man nur ſein boͤſes
Gewiſſen zu entdecken; und man darf nur den Gang
des Societaͤtsgeſchaͤftes in den Protokollen einige Jahre
verfolgen, ſo ſieht man, daß ſie die aus ihrer Maxime
entſpringenden Maͤngel gar wohl nach und nach be-
merkt und dagegen, jedoch leider unzulaͤngliche, An-
ordnungen macht.
Die Experimente ſollen nicht aus dem Stegreife
vorgelegt, ſondern in der vorhergehenden Seſſion an-
gezeigt werden; man ordnet Verſuche in gewiſſen Fol-
gen an, man ſetzt Committees nieder, welche, im Vor-
beygehen ſey es geſagt, in politiſchen und praktiſchen
Faͤllen gut ſeyn moͤgen, in wiſſenſchaftlichen Dingen
aber gar nichts taugen. Neigung oder Abneigung,
vorgefaßte Meynung der Commiſſarien ſind hier nicht
ſo leicht wie dort zu controliren. Ferner verlangt man
Gutachten und Ueberſichten; da aber nichts zuſammen-
haͤngt, ſo wird eins uͤber das andere vergeſſen. Sel-
ten geſchieht was man ſich vorgeſetzt hatte, und wenn
es geſchieht, ſo iſt es meiſtentheils nicht auslangend
noch hinreichend. Und nach welchem Maaßſtab ſoll es
gemeſſen, von wem ſoll es beurtheilt werden?
Vielleicht iſt hieran auch der im Anfang monat-
liche Praͤſidentenwechſel Schuld; ſo wie auch hier die
Ungewißheit und Unzulaͤnglichkeit des Locals, der Man-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/431>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.