mitgetheilt wurde. Er glaubte es entweder selbst schon zu kennen, oder etwas anderes und besseres zu wissen.
So viel er auch that, ja im Einzelnen durchar- beitete, so war er doch durchaus unstät und wurde es noch mehr durch seine Lage, da die ganze Erfahrungs- masse auf ihn eindrang und er, um ihr gewachsen zu seyn, seine Kräfte bald dahin, bald dorthin wenden mußte. Dabey war er zerstreut, nachlässig in seinem Amte, obgleich auf seinem eigenen Wege immer thätig.
Viele Jahre müht sich die Societät vergebens mit ihm ab. Sehr ernstlich wird ihm auferlegt: er soll regelmäßig Versuche machen, sie vorher anzeigen, in den folgenden Sessionen wirklich darlegen; wobey die gute Societät freylich nicht bedenkt, daß Sessionen nicht dazu geeignet sind, Versuche anzustellen und sich von den Erscheinungen vollständig zu überzeugen. Wie ihnen denn auch einmal ein Vogel den Gefallen nicht thun will, unter der mayowschen Glocke, ehe die Ver- sammlung auseinander geht, zu sterben.
Aehnliche Fälle benutzt Hook zu allerley Ausflüch- ten. Er gehorcht nicht, oder nur halb; man verküm- mert ihm seine Pension, er wird nicht gefügsamer, und wie es in solchen Fällen geht, man ermüdet streng zu seyn, man bezahlt ihm zuletzt aus Gunst und Rach- sicht seine Rückstände auf einmal. Er zeigt eine An- wandlung von Besserung, die nicht lange dauert, und die Sache schleppt sich ihren alten Gang.
mitgetheilt wurde. Er glaubte es entweder ſelbſt ſchon zu kennen, oder etwas anderes und beſſeres zu wiſſen.
So viel er auch that, ja im Einzelnen durchar- beitete, ſo war er doch durchaus unſtaͤt und wurde es noch mehr durch ſeine Lage, da die ganze Erfahrungs- maſſe auf ihn eindrang und er, um ihr gewachſen zu ſeyn, ſeine Kraͤfte bald dahin, bald dorthin wenden mußte. Dabey war er zerſtreut, nachlaͤſſig in ſeinem Amte, obgleich auf ſeinem eigenen Wege immer thaͤtig.
Viele Jahre muͤht ſich die Societaͤt vergebens mit ihm ab. Sehr ernſtlich wird ihm auferlegt: er ſoll regelmaͤßig Verſuche machen, ſie vorher anzeigen, in den folgenden Seſſionen wirklich darlegen; wobey die gute Societaͤt freylich nicht bedenkt, daß Seſſionen nicht dazu geeignet ſind, Verſuche anzuſtellen und ſich von den Erſcheinungen vollſtaͤndig zu uͤberzeugen. Wie ihnen denn auch einmal ein Vogel den Gefallen nicht thun will, unter der mayowſchen Glocke, ehe die Ver- ſammlung auseinander geht, zu ſterben.
Aehnliche Faͤlle benutzt Hook zu allerley Ausfluͤch- ten. Er gehorcht nicht, oder nur halb; man verkuͤm- mert ihm ſeine Penſion, er wird nicht gefuͤgſamer, und wie es in ſolchen Faͤllen geht, man ermuͤdet ſtreng zu ſeyn, man bezahlt ihm zuletzt aus Gunſt und Rach- ſicht ſeine Ruͤckſtaͤnde auf einmal. Er zeigt eine An- wandlung von Beſſerung, die nicht lange dauert, und die Sache ſchleppt ſich ihren alten Gang.
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mitgetheilt wurde. Er glaubte es entweder ſelbſt ſchon
zu kennen, oder etwas anderes und beſſeres zu wiſſen.
So viel er auch that, ja im Einzelnen durchar-
beitete, ſo war er doch durchaus unſtaͤt und wurde es
noch mehr durch ſeine Lage, da die ganze Erfahrungs-
maſſe auf ihn eindrang und er, um ihr gewachſen zu
ſeyn, ſeine Kraͤfte bald dahin, bald dorthin wenden
mußte. Dabey war er zerſtreut, nachlaͤſſig in ſeinem
Amte, obgleich auf ſeinem eigenen Wege immer thaͤtig.
Viele Jahre muͤht ſich die Societaͤt vergebens mit
ihm ab. Sehr ernſtlich wird ihm auferlegt: er ſoll
regelmaͤßig Verſuche machen, ſie vorher anzeigen,
in den folgenden Seſſionen wirklich darlegen; wobey
die gute Societaͤt freylich nicht bedenkt, daß Seſſionen
nicht dazu geeignet ſind, Verſuche anzuſtellen und ſich
von den Erſcheinungen vollſtaͤndig zu uͤberzeugen. Wie
ihnen denn auch einmal ein Vogel den Gefallen nicht
thun will, unter der mayowſchen Glocke, ehe die Ver-
ſammlung auseinander geht, zu ſterben.
Aehnliche Faͤlle benutzt Hook zu allerley Ausfluͤch-
ten. Er gehorcht nicht, oder nur halb; man verkuͤm-
mert ihm ſeine Penſion, er wird nicht gefuͤgſamer,
und wie es in ſolchen Faͤllen geht, man ermuͤdet ſtreng
zu ſeyn, man bezahlt ihm zuletzt aus Gunſt und Rach-
ſicht ſeine Ruͤckſtaͤnde auf einmal. Er zeigt eine An-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/434>, abgerufen am 22.11.2024.
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