ganz unbewunden und sprechen deutlich aus, daß Tycho, wenn er nicht schon sein System publicirt und eine Zeit lang behauptet hätte, das Copernikanische wahr- scheinlich annehmen und dadurch der Wissenschaft gro- ßen Dienst leisten würde; dahingegen nunmehr zu fürchten sey, daß er den Himmel öfter nach seiner Lehre ziehen und biegen werde.
Schon die Zeitgenossen und Mitarbeiter Tycho's befreyten sich von seiner ängstlichen verwirrenden Mey- nung. Aber Newton theilte seine Ueberzeugung, so wie seine Hartnäckigkeit, seinen Schülern mit, und wer den Parteygeist kennt, wird sich nicht verwundern, daß diese keine Augen und Ohren mehr haben, son- dern das alte Credo immerfort wiederholen, wie es ihnen der Meister eingelernt.
Der Character, die Fähigkeiten, das Benehmen, die Schicksale seiner Gegner, können nur im Einzel- nen vorgetragen werden. Zum Theil begriffen sie nicht worauf es ankam, zum Theil sahen sie den Irrthum wohl ein; hatten aber weder Kraft, noch Geschick, noch Opportunität ihn zu zerstören.
Wir finden 1666 Newton als Studirenden zu Cambridge, mit Verbesserung der Teleskope und mit prismatischen Versuchen zu diesem Zweck beschäftigt, wobey er seine Farbentheorie bey sich festsetzt. Von ihm selbst haben wir hierüber drey Arbeiten, aus wel-
26 *
ganz unbewunden und ſprechen deutlich aus, daß Tycho, wenn er nicht ſchon ſein Syſtem publicirt und eine Zeit lang behauptet haͤtte, das Copernikaniſche wahr- ſcheinlich annehmen und dadurch der Wiſſenſchaft gro- ßen Dienſt leiſten wuͤrde; dahingegen nunmehr zu fuͤrchten ſey, daß er den Himmel oͤfter nach ſeiner Lehre ziehen und biegen werde.
Schon die Zeitgenoſſen und Mitarbeiter Tycho’s befreyten ſich von ſeiner aͤngſtlichen verwirrenden Mey- nung. Aber Newton theilte ſeine Ueberzeugung, ſo wie ſeine Hartnaͤckigkeit, ſeinen Schuͤlern mit, und wer den Parteygeiſt kennt, wird ſich nicht verwundern, daß dieſe keine Augen und Ohren mehr haben, ſon- dern das alte Credo immerfort wiederholen, wie es ihnen der Meiſter eingelernt.
Der Character, die Faͤhigkeiten, das Benehmen, die Schickſale ſeiner Gegner, koͤnnen nur im Einzel- nen vorgetragen werden. Zum Theil begriffen ſie nicht worauf es ankam, zum Theil ſahen ſie den Irrthum wohl ein; hatten aber weder Kraft, noch Geſchick, noch Opportunitaͤt ihn zu zerſtoͤren.
Wir finden 1666 Newton als Studirenden zu Cambridge, mit Verbeſſerung der Teleſkope und mit prismatiſchen Verſuchen zu dieſem Zweck beſchaͤftigt, wobey er ſeine Farbentheorie bey ſich feſtſetzt. Von ihm ſelbſt haben wir hieruͤber drey Arbeiten, aus wel-
26 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0437"n="403"/>
ganz unbewunden und ſprechen deutlich aus, daß Tycho,<lb/>
wenn er nicht ſchon ſein Syſtem publicirt und eine<lb/>
Zeit lang behauptet haͤtte, das Copernikaniſche wahr-<lb/>ſcheinlich annehmen und dadurch der Wiſſenſchaft gro-<lb/>
ßen Dienſt leiſten wuͤrde; dahingegen nunmehr zu<lb/>
fuͤrchten ſey, daß er den Himmel oͤfter nach ſeiner Lehre<lb/>
ziehen und biegen werde.</p><lb/><p>Schon die Zeitgenoſſen und Mitarbeiter Tycho’s<lb/>
befreyten ſich von ſeiner aͤngſtlichen verwirrenden Mey-<lb/>
nung. Aber Newton theilte ſeine Ueberzeugung, ſo<lb/>
wie ſeine Hartnaͤckigkeit, ſeinen Schuͤlern mit, und<lb/>
wer den Parteygeiſt kennt, wird ſich nicht verwundern,<lb/>
daß dieſe keine Augen und Ohren mehr haben, ſon-<lb/>
dern das alte Credo immerfort wiederholen, wie es ihnen<lb/>
der Meiſter eingelernt.</p><lb/><p>Der Character, die Faͤhigkeiten, das Benehmen,<lb/>
die Schickſale ſeiner Gegner, koͤnnen nur im Einzel-<lb/>
nen vorgetragen werden. Zum Theil begriffen ſie nicht<lb/>
worauf es ankam, zum Theil ſahen ſie den Irrthum<lb/>
wohl ein; hatten aber weder Kraft, noch Geſchick, noch<lb/>
Opportunitaͤt ihn zu zerſtoͤren.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Wir finden 1666 Newton als Studirenden zu<lb/>
Cambridge, mit Verbeſſerung der Teleſkope und mit<lb/>
prismatiſchen Verſuchen zu dieſem Zweck beſchaͤftigt,<lb/>
wobey er ſeine Farbentheorie bey ſich feſtſetzt. Von<lb/>
ihm ſelbſt haben wir hieruͤber drey Arbeiten, aus wel-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">26 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[403/0437]
ganz unbewunden und ſprechen deutlich aus, daß Tycho,
wenn er nicht ſchon ſein Syſtem publicirt und eine
Zeit lang behauptet haͤtte, das Copernikaniſche wahr-
ſcheinlich annehmen und dadurch der Wiſſenſchaft gro-
ßen Dienſt leiſten wuͤrde; dahingegen nunmehr zu
fuͤrchten ſey, daß er den Himmel oͤfter nach ſeiner Lehre
ziehen und biegen werde.
Schon die Zeitgenoſſen und Mitarbeiter Tycho’s
befreyten ſich von ſeiner aͤngſtlichen verwirrenden Mey-
nung. Aber Newton theilte ſeine Ueberzeugung, ſo
wie ſeine Hartnaͤckigkeit, ſeinen Schuͤlern mit, und
wer den Parteygeiſt kennt, wird ſich nicht verwundern,
daß dieſe keine Augen und Ohren mehr haben, ſon-
dern das alte Credo immerfort wiederholen, wie es ihnen
der Meiſter eingelernt.
Der Character, die Faͤhigkeiten, das Benehmen,
die Schickſale ſeiner Gegner, koͤnnen nur im Einzel-
nen vorgetragen werden. Zum Theil begriffen ſie nicht
worauf es ankam, zum Theil ſahen ſie den Irrthum
wohl ein; hatten aber weder Kraft, noch Geſchick, noch
Opportunitaͤt ihn zu zerſtoͤren.
Wir finden 1666 Newton als Studirenden zu
Cambridge, mit Verbeſſerung der Teleſkope und mit
prismatiſchen Verſuchen zu dieſem Zweck beſchaͤftigt,
wobey er ſeine Farbentheorie bey ſich feſtſetzt. Von
ihm ſelbſt haben wir hieruͤber drey Arbeiten, aus wel-
26 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/437>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.