nige überzugehen veranlaßt werde. Gegen diese Vorstel- lung argumentirt und experimentirt Newton und zwar mit Recht.
Da nunmehr Newton diese sechs äußern Bedin- gungen völlig removirt zu haben glaubt, so schreitet er unmittelbar zu dem Schlusse: es sey die Farbe dem Licht nicht nur eingeboren, sondern die Farben in ihren specifischen Zuständen seyen in dem Licht als ursprüng- liche Lichter enthalten, welche nur durch die Refraction und andre äußere Bedingungen manifestirt, aus dem Lichte hervorgebracht und in ihrer Uranfänglichkeit und Unveränderlichkeit nunmehr dargestellt würden.
Daß an diesen dergestalt entwickelten und entdeck- ten Lichtern keine weitere Veränderung vorgehe, davon sucht er sich und andere durch das Experimentum Crucis zu überzeugen; worauf er denn in dreyzehn Propositionen seine Lehre mit allen Clauseln und Cau- telen, wie sie hernach völlig stehen geblieben, vorträgt, und da er die Farben zuerst aus dem weißen Licht entwickelt, zuletzt sich genöthigt sieht, das weiße Licht wieder aus ihnen zusammenzusetzen.
Dieses glaubt er vermittelst der Linse zu leisten, die er ohne weitre Vorbereitung einführt und sich für vollkommen befriedigt hält, wenn er das im Brennpunct aufgehobene farbige Bild für das wieder zusammenge- brachte, vereinigte, gemischte ausgeben kann.
nige uͤberzugehen veranlaßt werde. Gegen dieſe Vorſtel- lung argumentirt und experimentirt Newton und zwar mit Recht.
Da nunmehr Newton dieſe ſechs aͤußern Bedin- gungen voͤllig removirt zu haben glaubt, ſo ſchreitet er unmittelbar zu dem Schluſſe: es ſey die Farbe dem Licht nicht nur eingeboren, ſondern die Farben in ihren ſpecifiſchen Zuſtaͤnden ſeyen in dem Licht als urſpruͤng- liche Lichter enthalten, welche nur durch die Refraction und andre aͤußere Bedingungen manifeſtirt, aus dem Lichte hervorgebracht und in ihrer Uranfaͤnglichkeit und Unveraͤnderlichkeit nunmehr dargeſtellt wuͤrden.
Daß an dieſen dergeſtalt entwickelten und entdeck- ten Lichtern keine weitere Veraͤnderung vorgehe, davon ſucht er ſich und andere durch das Experimentum Crucis zu uͤberzeugen; worauf er denn in dreyzehn Propoſitionen ſeine Lehre mit allen Clauſeln und Cau- telen, wie ſie hernach voͤllig ſtehen geblieben, vortraͤgt, und da er die Farben zuerſt aus dem weißen Licht entwickelt, zuletzt ſich genoͤthigt ſieht, das weiße Licht wieder aus ihnen zuſammenzuſetzen.
Dieſes glaubt er vermittelſt der Linſe zu leiſten, die er ohne weitre Vorbereitung einfuͤhrt und ſich fuͤr vollkommen befriedigt haͤlt, wenn er das im Brennpunct aufgehobene farbige Bild fuͤr das wieder zuſammenge- brachte, vereinigte, gemiſchte ausgeben kann.
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nige uͤberzugehen veranlaßt werde. Gegen dieſe Vorſtel-
lung argumentirt und experimentirt Newton und zwar
mit Recht.
Da nunmehr Newton dieſe ſechs aͤußern Bedin-
gungen voͤllig removirt zu haben glaubt, ſo ſchreitet
er unmittelbar zu dem Schluſſe: es ſey die Farbe dem
Licht nicht nur eingeboren, ſondern die Farben in ihren
ſpecifiſchen Zuſtaͤnden ſeyen in dem Licht als urſpruͤng-
liche Lichter enthalten, welche nur durch die Refraction
und andre aͤußere Bedingungen manifeſtirt, aus dem
Lichte hervorgebracht und in ihrer Uranfaͤnglichkeit und
Unveraͤnderlichkeit nunmehr dargeſtellt wuͤrden.
Daß an dieſen dergeſtalt entwickelten und entdeck-
ten Lichtern keine weitere Veraͤnderung vorgehe, davon
ſucht er ſich und andere durch das Experimentum
Crucis zu uͤberzeugen; worauf er denn in dreyzehn
Propoſitionen ſeine Lehre mit allen Clauſeln und Cau-
telen, wie ſie hernach voͤllig ſtehen geblieben, vortraͤgt,
und da er die Farben zuerſt aus dem weißen Licht
entwickelt, zuletzt ſich genoͤthigt ſieht, das weiße Licht
wieder aus ihnen zuſammenzuſetzen.
Dieſes glaubt er vermittelſt der Linſe zu leiſten,
die er ohne weitre Vorbereitung einfuͤhrt und ſich fuͤr
vollkommen befriedigt haͤlt, wenn er das im Brennpunct
aufgehobene farbige Bild fuͤr das wieder zuſammenge-
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/449>, abgerufen am 22.11.2024.
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