Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Abdruck in seinen gesammelten Werken gemacht, welche
zu Haag 1717 und 1740 veranstaltet worden.

Wir haben wenig Nachrichten von seinem Leben.
Seinen Arbeiten sieht man die ungestörteste Ruhe an.
Er ist einer der ersten, welche die Experimental-Phy-
sik in Frankreich einführen, Mathematiker, Mechaniker,
Physiker, wo nicht Philosoph, doch redlicher Denker,
guter Beobachter, fleißiger Sammler und Ordner von
Beobachtungen, sehr genauer und gewissenhafter Expe-
rimentator, ja gewissenhaft bis ins Uebertriebene: denn
ihm in sein Detail zu folgen, wäre vielleicht nicht un-
möglich, doch möchte es in unserer Zeit jedem höchst
beschwerlich und fruchtlos erscheinen.

Durch Beobachten, Experimentiren, Messen und
Berechnen gelangt er zu den allgemeinsten einfachsteu
Erscheinungen, die er Principien der Erfahrung nennt.
Er läßt sie empirisch in ihrer reinsten Einfalt stehen
und zeigt nur, wo er sie in complicirten Fällen wie-
derfindet. Dieß wäre schön und gut, wenn sein Ver-
fahren nicht andre Mängel hätte, die sich uns nach
und nach entdecken, wenn wir an sein Werk selbst ge-
hen und davon einige Rechenschaft zu geben suchen.


Er theilt die Farben in apparente und perma-
nente. Unter den ersten versteht er bloß diejenigen die
bey der Refraction erscheinen, unter den andern alle

Abdruck in ſeinen geſammelten Werken gemacht, welche
zu Haag 1717 und 1740 veranſtaltet worden.

Wir haben wenig Nachrichten von ſeinem Leben.
Seinen Arbeiten ſieht man die ungeſtoͤrteſte Ruhe an.
Er iſt einer der erſten, welche die Experimental-Phy-
ſik in Frankreich einfuͤhren, Mathematiker, Mechaniker,
Phyſiker, wo nicht Philoſoph, doch redlicher Denker,
guter Beobachter, fleißiger Sammler und Ordner von
Beobachtungen, ſehr genauer und gewiſſenhafter Expe-
rimentator, ja gewiſſenhaft bis ins Uebertriebene: denn
ihm in ſein Detail zu folgen, waͤre vielleicht nicht un-
moͤglich, doch moͤchte es in unſerer Zeit jedem hoͤchſt
beſchwerlich und fruchtlos erſcheinen.

Durch Beobachten, Experimentiren, Meſſen und
Berechnen gelangt er zu den allgemeinſten einfachſteu
Erſcheinungen, die er Principien der Erfahrung nennt.
Er laͤßt ſie empiriſch in ihrer reinſten Einfalt ſtehen
und zeigt nur, wo er ſie in complicirten Faͤllen wie-
derfindet. Dieß waͤre ſchoͤn und gut, wenn ſein Ver-
fahren nicht andre Maͤngel haͤtte, die ſich uns nach
und nach entdecken, wenn wir an ſein Werk ſelbſt ge-
hen und davon einige Rechenſchaft zu geben ſuchen.


Er theilt die Farben in apparente und perma-
nente. Unter den erſten verſteht er bloß diejenigen die
bey der Refraction erſcheinen, unter den andern alle

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0477" n="443"/>
Abdruck in &#x017F;einen ge&#x017F;ammelten Werken gemacht, welche<lb/>
zu Haag 1717 und 1740 veran&#x017F;taltet worden.</p><lb/>
            <p>Wir haben wenig Nachrichten von &#x017F;einem Leben.<lb/>
Seinen Arbeiten &#x017F;ieht man die unge&#x017F;to&#x0364;rte&#x017F;te Ruhe an.<lb/>
Er i&#x017F;t einer der er&#x017F;ten, welche die Experimental-Phy-<lb/>
&#x017F;ik in Frankreich einfu&#x0364;hren, Mathematiker, Mechaniker,<lb/>
Phy&#x017F;iker, wo nicht Philo&#x017F;oph, doch redlicher Denker,<lb/>
guter Beobachter, fleißiger Sammler und Ordner von<lb/>
Beobachtungen, &#x017F;ehr genauer und gewi&#x017F;&#x017F;enhafter Expe-<lb/>
rimentator, ja gewi&#x017F;&#x017F;enhaft bis ins Uebertriebene: denn<lb/>
ihm in &#x017F;ein Detail zu folgen, wa&#x0364;re vielleicht nicht un-<lb/>
mo&#x0364;glich, doch mo&#x0364;chte es in un&#x017F;erer Zeit jedem ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
be&#x017F;chwerlich und fruchtlos er&#x017F;cheinen.</p><lb/>
            <p>Durch Beobachten, Experimentiren, Me&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
Berechnen gelangt er zu den allgemein&#x017F;ten einfach&#x017F;teu<lb/>
Er&#x017F;cheinungen, die er Principien der Erfahrung nennt.<lb/>
Er la&#x0364;ßt &#x017F;ie empiri&#x017F;ch in ihrer rein&#x017F;ten Einfalt &#x017F;tehen<lb/>
und zeigt nur, wo er &#x017F;ie in complicirten Fa&#x0364;llen wie-<lb/>
derfindet. Dieß wa&#x0364;re &#x017F;cho&#x0364;n und gut, wenn &#x017F;ein Ver-<lb/>
fahren nicht andre Ma&#x0364;ngel ha&#x0364;tte, die &#x017F;ich uns nach<lb/>
und nach entdecken, wenn wir an &#x017F;ein Werk &#x017F;elb&#x017F;t ge-<lb/>
hen und davon einige Rechen&#x017F;chaft zu geben &#x017F;uchen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Er theilt die Farben in apparente und perma-<lb/>
nente. Unter den er&#x017F;ten ver&#x017F;teht er bloß diejenigen die<lb/>
bey der Refraction er&#x017F;cheinen, unter den andern alle<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[443/0477] Abdruck in ſeinen geſammelten Werken gemacht, welche zu Haag 1717 und 1740 veranſtaltet worden. Wir haben wenig Nachrichten von ſeinem Leben. Seinen Arbeiten ſieht man die ungeſtoͤrteſte Ruhe an. Er iſt einer der erſten, welche die Experimental-Phy- ſik in Frankreich einfuͤhren, Mathematiker, Mechaniker, Phyſiker, wo nicht Philoſoph, doch redlicher Denker, guter Beobachter, fleißiger Sammler und Ordner von Beobachtungen, ſehr genauer und gewiſſenhafter Expe- rimentator, ja gewiſſenhaft bis ins Uebertriebene: denn ihm in ſein Detail zu folgen, waͤre vielleicht nicht un- moͤglich, doch moͤchte es in unſerer Zeit jedem hoͤchſt beſchwerlich und fruchtlos erſcheinen. Durch Beobachten, Experimentiren, Meſſen und Berechnen gelangt er zu den allgemeinſten einfachſteu Erſcheinungen, die er Principien der Erfahrung nennt. Er laͤßt ſie empiriſch in ihrer reinſten Einfalt ſtehen und zeigt nur, wo er ſie in complicirten Faͤllen wie- derfindet. Dieß waͤre ſchoͤn und gut, wenn ſein Ver- fahren nicht andre Maͤngel haͤtte, die ſich uns nach und nach entdecken, wenn wir an ſein Werk ſelbſt ge- hen und davon einige Rechenſchaft zu geben ſuchen. Er theilt die Farben in apparente und perma- nente. Unter den erſten verſteht er bloß diejenigen die bey der Refraction erſcheinen, unter den andern alle

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/477
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/477>, abgerufen am 22.11.2024.