andre, wechselsweise mit Gunst oder Ungunst, behan- delt wurden.
Dem großen Rufe Newtons, als derselbe in einem hohen Alter mit Tode abging, war Niemand gewach- sen. Die Wirkungen seiner Persönlichkeit erschienen durch ihre Tiefe und Ausbreitung der Welt höchst ehr- würdig, und jeder Verdacht, daß ein solcher Mann geirrt haben könnte, wurde weggewiesen. Das Unbe- dingte, an dem sich die menschliche Natur erfreut, er- scheint nicht mächtiger als im Beyfall und im Tadel, im Haß und der Neigung der Menge. Alles oder Nichts ist von jeher die Devise des angeregten Demos.
Schon von jener ersten, der Sprache gewidmeten Akademie ward der löbliche Gebrauch eingeführt, bey dem Todtenamte, das einem verstorbenen Mitgliede gehalten wurde, eine kurze Nachricht von des Abge- schiedenen Leben mitzutheilen. Pelisson, der Geschicht- schreiber jener Akademie, giebt uns solche Notizen von den zu seiner Zeit verstorbenen Gliedern, auf seine reine, natürliche, liebenswürdige Weise. Jemehr nach- her diese Institute selbst sich Ansehn geben und ver- schaffen, je mehr man Ursache hat, aus den Todten etwas zu machen, damit die Lebendigen als etwas erscheinen, destomehr werden solche Personalien aufgeschmückt und treten in der Gestalt von Elogien hervor.
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andre, wechſelsweiſe mit Gunſt oder Ungunſt, behan- delt wurden.
Dem großen Rufe Newtons, als derſelbe in einem hohen Alter mit Tode abging, war Niemand gewach- ſen. Die Wirkungen ſeiner Perſoͤnlichkeit erſchienen durch ihre Tiefe und Ausbreitung der Welt hoͤchſt ehr- wuͤrdig, und jeder Verdacht, daß ein ſolcher Mann geirrt haben koͤnnte, wurde weggewieſen. Das Unbe- dingte, an dem ſich die menſchliche Natur erfreut, er- ſcheint nicht maͤchtiger als im Beyfall und im Tadel, im Haß und der Neigung der Menge. Alles oder Nichts iſt von jeher die Deviſe des angeregten Demos.
Schon von jener erſten, der Sprache gewidmeten Akademie ward der loͤbliche Gebrauch eingefuͤhrt, bey dem Todtenamte, das einem verſtorbenen Mitgliede gehalten wurde, eine kurze Nachricht von des Abge- ſchiedenen Leben mitzutheilen. Peliſſon, der Geſchicht- ſchreiber jener Akademie, giebt uns ſolche Notizen von den zu ſeiner Zeit verſtorbenen Gliedern, auf ſeine reine, natuͤrliche, liebenswuͤrdige Weiſe. Jemehr nach- her dieſe Inſtitute ſelbſt ſich Anſehn geben und ver- ſchaffen, je mehr man Urſache hat, aus den Todten etwas zu machen, damit die Lebendigen als etwas erſcheinen, deſtomehr werden ſolche Perſonalien aufgeſchmuͤckt und treten in der Geſtalt von Elogien hervor.
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andre, wechſelsweiſe mit Gunſt oder Ungunſt, behan-
delt wurden.
Dem großen Rufe Newtons, als derſelbe in einem
hohen Alter mit Tode abging, war Niemand gewach-
ſen. Die Wirkungen ſeiner Perſoͤnlichkeit erſchienen
durch ihre Tiefe und Ausbreitung der Welt hoͤchſt ehr-
wuͤrdig, und jeder Verdacht, daß ein ſolcher Mann
geirrt haben koͤnnte, wurde weggewieſen. Das Unbe-
dingte, an dem ſich die menſchliche Natur erfreut, er-
ſcheint nicht maͤchtiger als im Beyfall und im Tadel,
im Haß und der Neigung der Menge. Alles oder
Nichts iſt von jeher die Deviſe des angeregten
Demos.
Schon von jener erſten, der Sprache gewidmeten
Akademie ward der loͤbliche Gebrauch eingefuͤhrt, bey
dem Todtenamte, das einem verſtorbenen Mitgliede
gehalten wurde, eine kurze Nachricht von des Abge-
ſchiedenen Leben mitzutheilen. Peliſſon, der Geſchicht-
ſchreiber jener Akademie, giebt uns ſolche Notizen von
den zu ſeiner Zeit verſtorbenen Gliedern, auf ſeine
reine, natuͤrliche, liebenswuͤrdige Weiſe. Jemehr nach-
her dieſe Inſtitute ſelbſt ſich Anſehn geben und ver-
ſchaffen, je mehr man Urſache hat, aus den Todten
etwas zu machen, damit die Lebendigen als etwas
erſcheinen, deſtomehr werden ſolche Perſonalien
aufgeſchmuͤckt und treten in der Geſtalt von Elogien
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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/533>, abgerufen am 22.11.2024.
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