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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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schon dergestalt genähert zu Gunsten des Gespenstes und
zu Ungunsten des Beschauers."

"Wirklich zum Unheil dessen, der sich betrügen läßt.
Das Publicum sollte demjenigen höchlich danken, der
es warnt: denn die Verführung kam dergestalt in
Zug, daß es äußerst verdienstlich ist, ihre Fortschritte
zu hemmen. Die Physik mit andern ihr verwandten
Wissenschaften und von ihr abhängigen Künsten war
ohne Rettung verloren durch dieses System des Irr-
thums und durch andere Lehren, denen die Autorität
desselben statt Beweises diente. Aber in diesen wie in
jenem wird man künftig das Schädliche einsehen."

"Sein Gespenst ist wahrhaft nur ein Gespenst, ein
phantastischer Gegenstand, der an nichts geheftet ist,
an keinen wirklichen Körper; es bezieht sich vielmehr
auf das, wo die Dinge nicht mehr sind, als auf ihr
Wesen, ihre Substanz, ihre Ausdehnung. Da wo
die Körper endigen, da, ganz genau da, bildet es
sich; und welche Größe es auch durch Divergenz der
Strahlen erhalte, so gehen diese Strahlen doch nur
von Einem Puncte aus, von diesem untheilbaren
Puncte, der zwey angränzende Körper trennt, das
Licht des einen von dem naheliegenden Schatten oder
dem schwächeren Licht des andern."


Friede mit seiner Asche! Uns aber verzeihe man,
wenn wir mit einigem Behagen darauf hinsehen, daß

ſchon dergeſtalt genaͤhert zu Gunſten des Geſpenſtes und
zu Ungunſten des Beſchauers.“

„Wirklich zum Unheil deſſen, der ſich betruͤgen laͤßt.
Das Publicum ſollte demjenigen hoͤchlich danken, der
es warnt: denn die Verfuͤhrung kam dergeſtalt in
Zug, daß es aͤußerſt verdienſtlich iſt, ihre Fortſchritte
zu hemmen. Die Phyſik mit andern ihr verwandten
Wiſſenſchaften und von ihr abhaͤngigen Kuͤnſten war
ohne Rettung verloren durch dieſes Syſtem des Irr-
thums und durch andere Lehren, denen die Autoritaͤt
deſſelben ſtatt Beweiſes diente. Aber in dieſen wie in
jenem wird man kuͤnftig das Schaͤdliche einſehen.“

„Sein Geſpenſt iſt wahrhaft nur ein Geſpenſt, ein
phantaſtiſcher Gegenſtand, der an nichts geheftet iſt,
an keinen wirklichen Koͤrper; es bezieht ſich vielmehr
auf das, wo die Dinge nicht mehr ſind, als auf ihr
Weſen, ihre Subſtanz, ihre Ausdehnung. Da wo
die Koͤrper endigen, da, ganz genau da, bildet es
ſich; und welche Groͤße es auch durch Divergenz der
Strahlen erhalte, ſo gehen dieſe Strahlen doch nur
von Einem Puncte aus, von dieſem untheilbaren
Puncte, der zwey angraͤnzende Koͤrper trennt, das
Licht des einen von dem naheliegenden Schatten oder
dem ſchwaͤcheren Licht des andern.“


Friede mit ſeiner Aſche! Uns aber verzeihe man,
wenn wir mit einigem Behagen darauf hinſehen, daß

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[535/0569] ſchon dergeſtalt genaͤhert zu Gunſten des Geſpenſtes und zu Ungunſten des Beſchauers.“ „Wirklich zum Unheil deſſen, der ſich betruͤgen laͤßt. Das Publicum ſollte demjenigen hoͤchlich danken, der es warnt: denn die Verfuͤhrung kam dergeſtalt in Zug, daß es aͤußerſt verdienſtlich iſt, ihre Fortſchritte zu hemmen. Die Phyſik mit andern ihr verwandten Wiſſenſchaften und von ihr abhaͤngigen Kuͤnſten war ohne Rettung verloren durch dieſes Syſtem des Irr- thums und durch andere Lehren, denen die Autoritaͤt deſſelben ſtatt Beweiſes diente. Aber in dieſen wie in jenem wird man kuͤnftig das Schaͤdliche einſehen.“ „Sein Geſpenſt iſt wahrhaft nur ein Geſpenſt, ein phantaſtiſcher Gegenſtand, der an nichts geheftet iſt, an keinen wirklichen Koͤrper; es bezieht ſich vielmehr auf das, wo die Dinge nicht mehr ſind, als auf ihr Weſen, ihre Subſtanz, ihre Ausdehnung. Da wo die Koͤrper endigen, da, ganz genau da, bildet es ſich; und welche Groͤße es auch durch Divergenz der Strahlen erhalte, ſo gehen dieſe Strahlen doch nur von Einem Puncte aus, von dieſem untheilbaren Puncte, der zwey angraͤnzende Koͤrper trennt, das Licht des einen von dem naheliegenden Schatten oder dem ſchwaͤcheren Licht des andern.“ Friede mit ſeiner Aſche! Uns aber verzeihe man, wenn wir mit einigem Behagen darauf hinſehen, daß

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/569>, abgerufen am 22.11.2024.