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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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lange die Sinne eben thätig sind, sondern auch wenn
sie aufhören. Wenn wir anhaltend einer Sinnesem-
pfindung uns hingeben, und nun den Sinn auf einen
andern Gegenstand übertragen; so begleitet ihn der
erste Zustand mit hinüber, z. E. wenn man aus der
Sonne ins Dunkle geht. Dann sieht man nichts, we-
gen des in den Augen fortdauernden Lichteindrucks.
Auch wenn wir auf eine Farbe, weiß oder grün,
lange hingeschaut haben, so erscheint uns etwas der-
gleichen, wohin wir auch den Blick wenden mögen.
Auch sobald wir in die Sonne, oder auf einen andern
hellen Gegenstand gesehen haben, und die Augen
schließen, erscheint, wenn wir in der geraden Rich-
tung, worin wir sehen, beobachten, zuförderst etwas
dergleichen an Farbe: dann verwandelt es sich in Roth,
dann in Purpur, bis es zuletzt ins Schwarze übergeht
und verschwindet.


lange die Sinne eben thaͤtig ſind, ſondern auch wenn
ſie aufhoͤren. Wenn wir anhaltend einer Sinnesem-
pfindung uns hingeben, und nun den Sinn auf einen
andern Gegenſtand uͤbertragen; ſo begleitet ihn der
erſte Zuſtand mit hinuͤber, z. E. wenn man aus der
Sonne ins Dunkle geht. Dann ſieht man nichts, we-
gen des in den Augen fortdauernden Lichteindrucks.
Auch wenn wir auf eine Farbe, weiß oder gruͤn,
lange hingeſchaut haben, ſo erſcheint uns etwas der-
gleichen, wohin wir auch den Blick wenden moͤgen.
Auch ſobald wir in die Sonne, oder auf einen andern
hellen Gegenſtand geſehen haben, und die Augen
ſchließen, erſcheint, wenn wir in der geraden Rich-
tung, worin wir ſehen, beobachten, zufoͤrderſt etwas
dergleichen an Farbe: dann verwandelt es ſich in Roth,
dann in Purpur, bis es zuletzt ins Schwarze uͤbergeht
und verſchwindet.


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[23/0057] lange die Sinne eben thaͤtig ſind, ſondern auch wenn ſie aufhoͤren. Wenn wir anhaltend einer Sinnesem- pfindung uns hingeben, und nun den Sinn auf einen andern Gegenſtand uͤbertragen; ſo begleitet ihn der erſte Zuſtand mit hinuͤber, z. E. wenn man aus der Sonne ins Dunkle geht. Dann ſieht man nichts, we- gen des in den Augen fortdauernden Lichteindrucks. Auch wenn wir auf eine Farbe, weiß oder gruͤn, lange hingeſchaut haben, ſo erſcheint uns etwas der- gleichen, wohin wir auch den Blick wenden moͤgen. Auch ſobald wir in die Sonne, oder auf einen andern hellen Gegenſtand geſehen haben, und die Augen ſchließen, erſcheint, wenn wir in der geraden Rich- tung, worin wir ſehen, beobachten, zufoͤrderſt etwas dergleichen an Farbe: dann verwandelt es ſich in Roth, dann in Purpur, bis es zuletzt ins Schwarze uͤbergeht und verſchwindet.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/57>, abgerufen am 24.11.2024.