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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

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Hiermit hatte man sich beruhigt, bis 1770 Joh.
Bapt. Beccaria in Turin mit neuen Versuchen auf-
trat. Er verfertigte, wie erzählt wird, künstliche
Leuchtsteine, welche den Stein von Bologna weit über-
trafen, setzte diese unter farbigen Gläsern dem Sonnen-
lichte aus, und versicherte, daß seine Phosphoren un-
ter blauem Glase blau, unter rothem Glase roth ge-
leuchtet hätten. (Philos. Transact. LXI. p. 112.)
Diese Entdeckung machte großes Aufsehen, und wurde
von den Newtonianern gut aufgenommen. Priestley
(in seiner Geschichte der Optik p. 267.) erklärte: "durch
diese Versuche sey nun außer Streit gesetzt, daß der
Phosphor eben dasselbe Licht welches er empfängt, und
kein anderes von sich gebe, und hierdurch sey auch be-
wiesen, daß das Licht aus körperlichen Thei-
len bestehe
, weil es eingesogen, angehalten und
wieder zurückgegeben werden könne." Mehrere Physi-
ker wiederholten Beccarias Versuche, doch keinem ge-
langen sie. Wilson vor allen gab sich viele Mühe.
Magellan verschaffte ihm von Beccaria eine sehr
genaue Beschreibung der Versuche mit allen Umständen,
beyde wiederholten die Versuche nochmals, "aber alle
ihre Unternehmungen waren umsonst," nie sahen sie
die Phosphoren mit der Farbe des Glases
leuchten
. (Von Wilsons interessanten Versuchen
findet man einen Auszug in Gehlers Sammlung zur
Physik und Naturgeschichte I. Band.) Euler mischte
sich auch in den Streit; er fand Wilsons Versuche
seiner Lehre vom Licht günstig, und behauptete, die
Newtonische Theorie der Farben werde hierdurch gänz-

Hiermit hatte man ſich beruhigt, bis 1770 Joh.
Bapt. Beccaria in Turin mit neuen Verſuchen auf-
trat. Er verfertigte, wie erzaͤhlt wird, kuͤnſtliche
Leuchtſteine, welche den Stein von Bologna weit uͤber-
trafen, ſetzte dieſe unter farbigen Glaͤſern dem Sonnen-
lichte aus, und verſicherte, daß ſeine Phosphoren un-
ter blauem Glaſe blau, unter rothem Glaſe roth ge-
leuchtet haͤtten. (Philos. Transact. LXI. p. 112.)
Dieſe Entdeckung machte großes Aufſehen, und wurde
von den Newtonianern gut aufgenommen. Prieſtley
(in ſeiner Geſchichte der Optik p. 267.) erklaͤrte: „durch
dieſe Verſuche ſey nun außer Streit geſetzt, daß der
Phosphor eben daſſelbe Licht welches er empfaͤngt, und
kein anderes von ſich gebe, und hierdurch ſey auch be-
wieſen, daß das Licht aus koͤrperlichen Thei-
len beſtehe
, weil es eingeſogen, angehalten und
wieder zuruͤckgegeben werden koͤnne.“ Mehrere Phyſi-
ker wiederholten Beccarias Verſuche, doch keinem ge-
langen ſie. Wilſon vor allen gab ſich viele Muͤhe.
Magellan verſchaffte ihm von Beccaria eine ſehr
genaue Beſchreibung der Verſuche mit allen Umſtaͤnden,
beyde wiederholten die Verſuche nochmals, „aber alle
ihre Unternehmungen waren umſonſt,“ nie ſahen ſie
die Phosphoren mit der Farbe des Glaſes
leuchten
. (Von Wilſons intereſſanten Verſuchen
findet man einen Auszug in Gehlers Sammlung zur
Phyſik und Naturgeſchichte I. Band.) Euler miſchte
ſich auch in den Streit; er fand Wilſons Verſuche
ſeiner Lehre vom Licht guͤnſtig, und behauptete, die
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[711/0745] Hiermit hatte man ſich beruhigt, bis 1770 Joh. Bapt. Beccaria in Turin mit neuen Verſuchen auf- trat. Er verfertigte, wie erzaͤhlt wird, kuͤnſtliche Leuchtſteine, welche den Stein von Bologna weit uͤber- trafen, ſetzte dieſe unter farbigen Glaͤſern dem Sonnen- lichte aus, und verſicherte, daß ſeine Phosphoren un- ter blauem Glaſe blau, unter rothem Glaſe roth ge- leuchtet haͤtten. (Philos. Transact. LXI. p. 112.) Dieſe Entdeckung machte großes Aufſehen, und wurde von den Newtonianern gut aufgenommen. Prieſtley (in ſeiner Geſchichte der Optik p. 267.) erklaͤrte: „durch dieſe Verſuche ſey nun außer Streit geſetzt, daß der Phosphor eben daſſelbe Licht welches er empfaͤngt, und kein anderes von ſich gebe, und hierdurch ſey auch be- wieſen, daß das Licht aus koͤrperlichen Thei- len beſtehe, weil es eingeſogen, angehalten und wieder zuruͤckgegeben werden koͤnne.“ Mehrere Phyſi- ker wiederholten Beccarias Verſuche, doch keinem ge- langen ſie. Wilſon vor allen gab ſich viele Muͤhe. Magellan verſchaffte ihm von Beccaria eine ſehr genaue Beſchreibung der Verſuche mit allen Umſtaͤnden, beyde wiederholten die Verſuche nochmals, „aber alle ihre Unternehmungen waren umſonſt,“ nie ſahen ſie die Phosphoren mit der Farbe des Glaſes leuchten. (Von Wilſons intereſſanten Verſuchen findet man einen Auszug in Gehlers Sammlung zur Phyſik und Naturgeſchichte I. Band.) Euler miſchte ſich auch in den Streit; er fand Wilſons Verſuche ſeiner Lehre vom Licht guͤnſtig, und behauptete, die Newtoniſche Theorie der Farben werde hierdurch gaͤnz-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 711. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/745>, abgerufen am 22.11.2024.