Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn die Purpurfärber die Blutbrühe ansetzen, wird
sie dunkel, schwarz und luftfarbig; ist aber die Masse
genug durchgearbeitet, so wird die Purpurfarbe blühend
und glänzend.

Daher müssen auch die Blumen an Farbe von den
Früchten sehr unterschieden seyn; einige übersteigen
gleichsam das Ziel, das ihnen die Natur gesteckt hat,
andre bleiben dahinter zurück, die einen, weil sie eine
vollendete, die andern, weil sie eine unvollendete Ko-
chung erfahren.

Dieß sind nun die Ursachen, warum Blüthen und
Früchte von einander unterschiedene Farben zeigen.

61.

Die meisten Blätter mehrerer Bäume aber werden
zuletzt gelb, weil die Nahrung abnimmt und sie eher
welken, als sie in die (höchste) Farbe, die ihrer Natur
möglich ist, übergehen. Auch werden einige abfallende
Früchte gelb, weil ihnen die Nahrung vor der vollkom-
menen Kochung ausgeht.

62.

Ferner wird sowohl der Waizen, als alles, was
unmittelbar aus der Erde wächst, zuletzt gelb; denn in
solchen Pflanzen wird das Feuchte nicht schwarz, son-
dern, weil sie schnell trocknen, geschieht ein Rückschritt
in der Farbe.

Denn das Schwarze, mit dem Gelbgrünen verbunden,
wird, wie gesagt, grasgrün; wo aber das Schwarze
immer schwächer wird, geht die Farbe wieder ins Gelb-
grüne und dann ins Gelbe.

wenn die Purpurfaͤrber die Blutbruͤhe anſetzen, wird
ſie dunkel, ſchwarz und luftfarbig; iſt aber die Maſſe
genug durchgearbeitet, ſo wird die Purpurfarbe bluͤhend
und glaͤnzend.

Daher muͤſſen auch die Blumen an Farbe von den
Fruͤchten ſehr unterſchieden ſeyn; einige uͤberſteigen
gleichſam das Ziel, das ihnen die Natur geſteckt hat,
andre bleiben dahinter zuruͤck, die einen, weil ſie eine
vollendete, die andern, weil ſie eine unvollendete Ko-
chung erfahren.

Dieß ſind nun die Urſachen, warum Bluͤthen und
Fruͤchte von einander unterſchiedene Farben zeigen.

61.

Die meiſten Blaͤtter mehrerer Baͤume aber werden
zuletzt gelb, weil die Nahrung abnimmt und ſie eher
welken, als ſie in die (hoͤchſte) Farbe, die ihrer Natur
moͤglich iſt, uͤbergehen. Auch werden einige abfallende
Fruͤchte gelb, weil ihnen die Nahrung vor der vollkom-
menen Kochung ausgeht.

62.

Ferner wird ſowohl der Waizen, als alles, was
unmittelbar aus der Erde waͤchſt, zuletzt gelb; denn in
ſolchen Pflanzen wird das Feuchte nicht ſchwarz, ſon-
dern, weil ſie ſchnell trocknen, geſchieht ein Ruͤckſchritt
in der Farbe.

Denn das Schwarze, mit dem Gelbgruͤnen verbunden,
wird, wie geſagt, grasgruͤn; wo aber das Schwarze
immer ſchwaͤcher wird, geht die Farbe wieder ins Gelb-
gruͤne und dann ins Gelbe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0079" n="45"/>
wenn die Purpurfa&#x0364;rber die Blutbru&#x0364;he an&#x017F;etzen, wird<lb/>
&#x017F;ie dunkel, &#x017F;chwarz und luftfarbig; i&#x017F;t aber die Ma&#x017F;&#x017F;e<lb/>
genug durchgearbeitet, &#x017F;o wird die Purpurfarbe blu&#x0364;hend<lb/>
und gla&#x0364;nzend.</p><lb/>
              <p>Daher mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auch die Blumen an Farbe von den<lb/>
Fru&#x0364;chten &#x017F;ehr unter&#x017F;chieden &#x017F;eyn; einige u&#x0364;ber&#x017F;teigen<lb/>
gleich&#x017F;am das Ziel, das ihnen die Natur ge&#x017F;teckt hat,<lb/>
andre bleiben dahinter zuru&#x0364;ck, die einen, weil &#x017F;ie eine<lb/>
vollendete, die andern, weil &#x017F;ie eine unvollendete Ko-<lb/>
chung erfahren.</p><lb/>
              <p>Dieß &#x017F;ind nun die Ur&#x017F;achen, warum Blu&#x0364;then und<lb/>
Fru&#x0364;chte von einander unter&#x017F;chiedene Farben zeigen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>61.</head><lb/>
              <p>Die mei&#x017F;ten Bla&#x0364;tter mehrerer Ba&#x0364;ume aber werden<lb/>
zuletzt gelb, weil die Nahrung abnimmt und &#x017F;ie eher<lb/>
welken, als &#x017F;ie in die (ho&#x0364;ch&#x017F;te) Farbe, die ihrer Natur<lb/>
mo&#x0364;glich i&#x017F;t, u&#x0364;bergehen. Auch werden einige abfallende<lb/>
Fru&#x0364;chte gelb, weil ihnen die Nahrung vor der vollkom-<lb/>
menen Kochung ausgeht.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>62.</head><lb/>
              <p>Ferner wird &#x017F;owohl der Waizen, als alles, was<lb/>
unmittelbar aus der Erde wa&#x0364;ch&#x017F;t, zuletzt gelb; denn in<lb/>
&#x017F;olchen Pflanzen wird das Feuchte nicht &#x017F;chwarz, &#x017F;on-<lb/>
dern, weil &#x017F;ie &#x017F;chnell trocknen, ge&#x017F;chieht ein Ru&#x0364;ck&#x017F;chritt<lb/>
in der Farbe.</p><lb/>
              <p>Denn das Schwarze, mit dem Gelbgru&#x0364;nen verbunden,<lb/>
wird, wie ge&#x017F;agt, grasgru&#x0364;n; wo aber das Schwarze<lb/>
immer &#x017F;chwa&#x0364;cher wird, geht die Farbe wieder ins Gelb-<lb/>
gru&#x0364;ne und dann ins Gelbe.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0079] wenn die Purpurfaͤrber die Blutbruͤhe anſetzen, wird ſie dunkel, ſchwarz und luftfarbig; iſt aber die Maſſe genug durchgearbeitet, ſo wird die Purpurfarbe bluͤhend und glaͤnzend. Daher muͤſſen auch die Blumen an Farbe von den Fruͤchten ſehr unterſchieden ſeyn; einige uͤberſteigen gleichſam das Ziel, das ihnen die Natur geſteckt hat, andre bleiben dahinter zuruͤck, die einen, weil ſie eine vollendete, die andern, weil ſie eine unvollendete Ko- chung erfahren. Dieß ſind nun die Urſachen, warum Bluͤthen und Fruͤchte von einander unterſchiedene Farben zeigen. 61. Die meiſten Blaͤtter mehrerer Baͤume aber werden zuletzt gelb, weil die Nahrung abnimmt und ſie eher welken, als ſie in die (hoͤchſte) Farbe, die ihrer Natur moͤglich iſt, uͤbergehen. Auch werden einige abfallende Fruͤchte gelb, weil ihnen die Nahrung vor der vollkom- menen Kochung ausgeht. 62. Ferner wird ſowohl der Waizen, als alles, was unmittelbar aus der Erde waͤchſt, zuletzt gelb; denn in ſolchen Pflanzen wird das Feuchte nicht ſchwarz, ſon- dern, weil ſie ſchnell trocknen, geſchieht ein Ruͤckſchritt in der Farbe. Denn das Schwarze, mit dem Gelbgruͤnen verbunden, wird, wie geſagt, grasgruͤn; wo aber das Schwarze immer ſchwaͤcher wird, geht die Farbe wieder ins Gelb- gruͤne und dann ins Gelbe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/79
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 2. Tübingen, 1810, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre02_1810/79>, abgerufen am 26.11.2024.