Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Eine Tragödie. Tübingen, 1808. Sie macht das Fenster auf. Und ist doch eben so warm nicht drauß'. Es wird mir so, ich weiß' nicht wie -- Ich wollt', die Mutter käm' nach Haus. Mir läuft ein Schauer über'n Leib -- Bin doch ein thöricht furchtsam Weib! Sie fängt an zu singen, indem sie sich auszieht. Es war ein König in Thule Gar treu bis an das Grab, Dem sterbend seine Buhle Einen goldnen Becher gab. Es ging ihm nichts darüber, Er leert ihn jeden Schmaus; Die Augen gingen ihm über, So oft er trank daraus. Und als er kam zu sterben, Zählt' er seine Städt' im Reich, Gönnt' alles seinem Erben, Den Becher nicht zugleich. 12
Sie macht das Fenſter auf. Und iſt doch eben ſo warm nicht drauß’. Es wird mir ſo, ich weiß’ nicht wie — Ich wollt’, die Mutter kaͤm’ nach Haus. Mir laͤuft ein Schauer uͤber’n Leib — Bin doch ein thoͤricht furchtſam Weib! Sie fängt an zu ſingen, indem ſie ſich auszieht. Es war ein Koͤnig in Thule Gar treu bis an das Grab, Dem ſterbend ſeine Buhle Einen goldnen Becher gab. Es ging ihm nichts daruͤber, Er leert ihn jeden Schmaus; Die Augen gingen ihm uͤber, So oft er trank daraus. Und als er kam zu ſterben, Zaͤhlt’ er ſeine Staͤdt’ im Reich, Goͤnnt’ alles ſeinem Erben, Den Becher nicht zugleich. 12
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Sie macht das Fenſter auf.
Und iſt doch eben ſo warm nicht drauß’.
Es wird mir ſo, ich weiß’ nicht wie —
Ich wollt’, die Mutter kaͤm’ nach Haus.
Mir laͤuft ein Schauer uͤber’n Leib —
Bin doch ein thoͤricht furchtſam Weib!
Sie fängt an zu ſingen, indem ſie ſich auszieht.
Es war ein Koͤnig in Thule
Gar treu bis an das Grab,
Dem ſterbend ſeine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts daruͤber,
Er leert ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm uͤber,
So oft er trank daraus.
Und als er kam zu ſterben,
Zaͤhlt’ er ſeine Staͤdt’ im Reich,
Goͤnnt’ alles ſeinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.
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