Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832. Mephistopheles. Wie überraschend mich die junge Schöpfung freut! Man säe nur, man erntet mit der Zeit. Ich schüttle noch einmal den alten Flaus, Noch eines flattert hier und dort hinaus. - Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken Eilt euch ihr Liebchen zu verstecken. Dort wo die alten Schachteln stehn, Hier im bebräunten Pergamen, In staubigen Scherben alter Töpfe, Dem Hohlaug' jener Todtenköpfe. In solchem Wust und Moderleben Muß es für ewig Grillen geben. (Schlüpft in den Pelz.) Komm, decke mir die Schultern noch einmal! Heut bin ich wieder Prinzipal. Doch hilft es nichts mich so zu nennen, Wo sind die Leute die mich anerkennen! (Er zieht die Glocke die einen gellenden, durchdringenden Ton erschallen läßt, wovon die Hallen erbeben und die Thüren aufspringen.) Famulus (den langen finstern Gang herwankend). Welch ein Tönen! welch ein Schauer! Treppe schwankt, es bebt die Mauer; Durch der Fenster buntes Zittern Seh' ich wetterleuchtend Wittern. Springt das Estrich, und von Oben Rieselt Kalk und Schutt verschoben. Mephistopheles. Wie überraschend mich die junge Schöpfung freut! Man säe nur, man erntet mit der Zeit. Ich schüttle noch einmal den alten Flaus, Noch eines flattert hier und dort hinaus. – Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken Eilt euch ihr Liebchen zu verstecken. Dort wo die alten Schachteln stehn, Hier im bebräunten Pergamen, In staubigen Scherben alter Töpfe, Dem Hohlaug’ jener Todtenköpfe. In solchem Wust und Moderleben Muß es für ewig Grillen geben. (Schlüpft in den Pelz.) Komm, decke mir die Schultern noch einmal! Heut bin ich wieder Prinzipal. Doch hilft es nichts mich so zu nennen, Wo sind die Leute die mich anerkennen! (Er zieht die Glocke die einen gellenden, durchdringenden Ton erschallen läßt, wovon die Hallen erbeben und die Thüren aufspringen.) Famulus (den langen finstern Gang herwankend). Welch ein Tönen! welch ein Schauer! Treppe schwankt, es bebt die Mauer; Durch der Fenster buntes Zittern Seh’ ich wetterleuchtend Wittern. Springt das Estrich, und von Oben Rieselt Kalk und Schutt verschoben. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0106" n="94"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Mephistopheles.</hi> </speaker><lb/> <p>Wie überraschend mich die junge Schöpfung freut!<lb/> Man säe nur, man erntet mit der Zeit.<lb/> Ich schüttle noch einmal den alten Flaus,<lb/> Noch eines flattert hier und dort hinaus. –<lb/> Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken<lb/> Eilt euch ihr Liebchen zu verstecken.<lb/> Dort wo die alten Schachteln stehn,<lb/> Hier im bebräunten Pergamen,<lb/> In staubigen Scherben alter Töpfe,<lb/> Dem Hohlaug’ jener Todtenköpfe.<lb/> In solchem Wust und Moderleben<lb/> Muß es für ewig Grillen geben.<lb/></p> <stage>(Schlüpft in den Pelz.)</stage><lb/> <p> Komm, decke mir die Schultern noch einmal!<lb/> Heut bin ich wieder Prinzipal.<lb/> Doch hilft es nichts mich so zu nennen,<lb/> Wo sind die Leute die mich anerkennen!<lb/></p> <stage>(Er zieht die Glocke die einen gellenden, durchdringenden<lb/> Ton erschallen läßt, wovon die Hallen erbeben<lb/> und die Thüren aufspringen.)</stage><lb/> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Famulus</hi> </speaker><lb/> <stage>(den langen finstern Gang herwankend).</stage><lb/> <p>Welch ein Tönen! welch ein Schauer!<lb/> Treppe schwankt, es bebt die Mauer;<lb/> Durch der Fenster buntes Zittern<lb/> Seh’ ich wetterleuchtend Wittern.<lb/> Springt das Estrich, und von Oben<lb/> Rieselt Kalk und Schutt verschoben.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0106]
Mephistopheles.
Wie überraschend mich die junge Schöpfung freut!
Man säe nur, man erntet mit der Zeit.
Ich schüttle noch einmal den alten Flaus,
Noch eines flattert hier und dort hinaus. –
Hinauf! umher! in hunderttausend Ecken
Eilt euch ihr Liebchen zu verstecken.
Dort wo die alten Schachteln stehn,
Hier im bebräunten Pergamen,
In staubigen Scherben alter Töpfe,
Dem Hohlaug’ jener Todtenköpfe.
In solchem Wust und Moderleben
Muß es für ewig Grillen geben.
(Schlüpft in den Pelz.)
Komm, decke mir die Schultern noch einmal!
Heut bin ich wieder Prinzipal.
Doch hilft es nichts mich so zu nennen,
Wo sind die Leute die mich anerkennen!
(Er zieht die Glocke die einen gellenden, durchdringenden
Ton erschallen läßt, wovon die Hallen erbeben
und die Thüren aufspringen.)
Famulus
(den langen finstern Gang herwankend).
Welch ein Tönen! welch ein Schauer!
Treppe schwankt, es bebt die Mauer;
Durch der Fenster buntes Zittern
Seh’ ich wetterleuchtend Wittern.
Springt das Estrich, und von Oben
Rieselt Kalk und Schutt verschoben.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/106>, abgerufen am 16.07.2024. |