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Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

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Aus höchstem Helden-, wohl aus Götterstamme.
Sie setzt den Fuß in das durchsichtige Helle;
Des edlen Körpers holde Lebensflamme
Kühlt sich im schmiegsamen Krystall der Welle. -
Doch welch Getöse rasch bewegter Flügel,
Welch Sausen, Plätschern wühlt im glatten Spiegel?
Die Mädchen fliehn verschüchtert; doch allein
Die Königin sie blickt gelassen drein,
Und sieht, mit stolzem, weiblichem Vergnügen,
Der Schwäne Fürsten ihrem Knie sich schmiegen,
Zudringlich zahm. Er scheint sich zu gewöhnen. -
Auf einmal aber steigt ein Dunst empor,
Und deckt mit dichtgewebtem Flor
Die lieblichste von allen Scenen.
Mephistopheles.
Was du nicht alles zu erzählen hast!
So klein du bist, so groß bist du Phantast.
Ich sehe nichts -
Homunculus.
Das glaub' ich. Du aus Norden,
Im Nebelalter jung geworden,
Im Wust von Ritterthum und Pfäfferey,
Wo wäre da dein Auge frei!
Im Düstern bist du nur zu Hause.
(Umherschauend.)
Verbräunt Gestein, bemodert, widrig,
Spitzbögig, schnörkelhaftest, niedrig! -
Erwacht uns dieser, gibt es neue Noth,
Er bleibt gleich auf der Stelle todt.
Aus höchstem Helden-, wohl aus Götterstamme.
Sie setzt den Fuß in das durchsichtige Helle;
Des edlen Körpers holde Lebensflamme
Kühlt sich im schmiegsamen Krystall der Welle. –
Doch welch Getöse rasch bewegter Flügel,
Welch Sausen, Plätschern wühlt im glatten Spiegel?
Die Mädchen fliehn verschüchtert; doch allein
Die Königin sie blickt gelassen drein,
Und sieht, mit stolzem, weiblichem Vergnügen,
Der Schwäne Fürsten ihrem Knie sich schmiegen,
Zudringlich zahm. Er scheint sich zu gewöhnen. –
Auf einmal aber steigt ein Dunst empor,
Und deckt mit dichtgewebtem Flor
Die lieblichste von allen Scenen.
Mephistopheles.
Was du nicht alles zu erzählen hast!
So klein du bist, so groß bist du Phantast.
Ich sehe nichts –
Homunculus.
Das glaub’ ich. Du aus Norden,
Im Nebelalter jung geworden,
Im Wust von Ritterthum und Pfäfferey,
Wo wäre da dein Auge frei!
Im Düstern bist du nur zu Hause.
(Umherschauend.)
Verbräunt Gestein, bemodert, widrig,
Spitzbögig, schnörkelhaftest, niedrig! –
Erwacht uns dieser, gibt es neue Noth,
Er bleibt gleich auf der Stelle todt.
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[108/0120] Aus höchstem Helden-, wohl aus Götterstamme. Sie setzt den Fuß in das durchsichtige Helle; Des edlen Körpers holde Lebensflamme Kühlt sich im schmiegsamen Krystall der Welle. – Doch welch Getöse rasch bewegter Flügel, Welch Sausen, Plätschern wühlt im glatten Spiegel? Die Mädchen fliehn verschüchtert; doch allein Die Königin sie blickt gelassen drein, Und sieht, mit stolzem, weiblichem Vergnügen, Der Schwäne Fürsten ihrem Knie sich schmiegen, Zudringlich zahm. Er scheint sich zu gewöhnen. – Auf einmal aber steigt ein Dunst empor, Und deckt mit dichtgewebtem Flor Die lieblichste von allen Scenen. Mephistopheles. Was du nicht alles zu erzählen hast! So klein du bist, so groß bist du Phantast. Ich sehe nichts – Homunculus. Das glaub’ ich. Du aus Norden, Im Nebelalter jung geworden, Im Wust von Ritterthum und Pfäfferey, Wo wäre da dein Auge frei! Im Düstern bist du nur zu Hause. (Umherschauend.) Verbräunt Gestein, bemodert, widrig, Spitzbögig, schnörkelhaftest, niedrig! – Erwacht uns dieser, gibt es neue Noth, Er bleibt gleich auf der Stelle todt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/120>, abgerufen am 21.11.2024.