Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832. Faust. Bin ich nicht schon verwirrt genug, Und solch ein Sitz muß mich beglücken! Chiron. Sie faßte so mich in das Haar Wie du es thust. Faust. O ganz und gar Verlier' ich mich! Erzähle wie? Sie ist mein einziges Begehren! Woher, wohin, ach, trugst du sie? Chiron. Die Frage läßt sich leicht gewähren. Die Dioskuren hatten jener Zeit Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreit. Doch diese, nicht gewohnt besiegt zu seyn, Ermannten sich und stürmten hinterdrein. Da hielten der Geschwister eiligen Lauf Die Sümpfe bei Eleusis auf; Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber; Da sprang sie ab und streichelte Die feuchte Mähne, schmeichelte Und dankte lieblich-klug und selbstbewußt. Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust! Faust. Erst sieben Jahr!... Chiron. Ich seh' die Philologen, Sie haben dich so wie sich selbst betrogen. Faust. Bin ich nicht schon verwirrt genug, Und solch ein Sitz muß mich beglücken! Chiron. Sie faßte so mich in das Haar Wie du es thust. Faust. O ganz und gar Verlier’ ich mich! Erzähle wie? Sie ist mein einziges Begehren! Woher, wohin, ach, trugst du sie? Chiron. Die Frage läßt sich leicht gewähren. Die Dioskuren hatten jener Zeit Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreit. Doch diese, nicht gewohnt besiegt zu seyn, Ermannten sich und stürmten hinterdrein. Da hielten der Geschwister eiligen Lauf Die Sümpfe bei Eleusis auf; Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber; Da sprang sie ab und streichelte Die feuchte Mähne, schmeichelte Und dankte lieblich-klug und selbstbewußt. Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust! Faust. Erst sieben Jahr!… Chiron. Ich seh’ die Philologen, Sie haben dich so wie sich selbst betrogen. <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0143" n="131"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Faust.</hi> </speaker><lb/> <p>Bin ich nicht schon verwirrt genug,<lb/> Und solch ein Sitz muß mich beglücken!<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Chiron.</hi> </speaker><lb/> <p>Sie faßte so mich in das Haar<lb/> Wie du es thust.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Faust.</hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">O ganz und gar</hi><lb/> Verlier’ ich mich! Erzähle wie?<lb/> Sie ist mein einziges Begehren!<lb/> Woher, wohin, ach, trugst du sie?<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Chiron.</hi> </speaker><lb/> <p>Die Frage läßt sich leicht gewähren.<lb/> Die Dioskuren hatten jener Zeit<lb/> Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreit.<lb/> Doch diese, nicht gewohnt besiegt zu seyn,<lb/> Ermannten sich und stürmten hinterdrein.<lb/> Da hielten der Geschwister eiligen Lauf<lb/> Die Sümpfe bei Eleusis auf;<lb/> Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber;<lb/> Da sprang sie ab und streichelte<lb/> Die feuchte Mähne, schmeichelte<lb/> Und dankte lieblich-klug und selbstbewußt.<lb/> Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust!<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Faust.</hi> </speaker><lb/> <p>Erst sieben Jahr!…<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Chiron.</hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Ich seh’ die Philologen,</hi><lb/> Sie haben dich so wie sich selbst betrogen.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0143]
Faust.
Bin ich nicht schon verwirrt genug,
Und solch ein Sitz muß mich beglücken!
Chiron.
Sie faßte so mich in das Haar
Wie du es thust.
Faust.
O ganz und gar
Verlier’ ich mich! Erzähle wie?
Sie ist mein einziges Begehren!
Woher, wohin, ach, trugst du sie?
Chiron.
Die Frage läßt sich leicht gewähren.
Die Dioskuren hatten jener Zeit
Das Schwesterchen aus Räuberfaust befreit.
Doch diese, nicht gewohnt besiegt zu seyn,
Ermannten sich und stürmten hinterdrein.
Da hielten der Geschwister eiligen Lauf
Die Sümpfe bei Eleusis auf;
Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber;
Da sprang sie ab und streichelte
Die feuchte Mähne, schmeichelte
Und dankte lieblich-klug und selbstbewußt.
Wie war sie reizend! jung, des Alten Lust!
Faust.
Erst sieben Jahr!…
Chiron.
Ich seh’ die Philologen,
Sie haben dich so wie sich selbst betrogen.
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