Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.
Geschmückt sich hebt und nah daran das Schatzgemach; Allein das Wunder reißt sich schnell vom Boden auf, Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich In hagrer Größe, hohlen, blutig-trüben Blicks, Seltsamer Bildung, wie sie Aug und Geist verwirrt. Doch red' ich in die Lüfte; denn das Wort bemüht Sich nur umsonst Gestalten schöpferisch aufzubaun. Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich an's Licht hervor! Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt. Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie. Phorkyas (auf der Schwelle zwischen den Thürpfosten auftretend). Chor. Vieles erlebt' ich, obgleich die Locke Jugendlich wallet mir um die Schläfe! Schreckliches hab' ich vieles gesehen, Kriegrischen Jammer, Ilios Nacht, Als es fiel. Durch das umwölkte, staubende Tosen Drängender Krieger hört' ich die Götter Fürchterlich rufen, hört' ich der Zwietracht Eherne Stimme schallen durch's Feld, Mauerwärts. Ach! sie standen noch, Ilios Mauern, aber die Flammengluth Zog vom Nachbar zum Nachbar schon,
Geschmückt sich hebt und nah daran das Schatzgemach; Allein das Wunder reißt sich schnell vom Boden auf, Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich In hagrer Größe, hohlen, blutig-trüben Blicks, Seltsamer Bildung, wie sie Aug und Geist verwirrt. Doch red’ ich in die Lüfte; denn das Wort bemüht Sich nur umsonst Gestalten schöpferisch aufzubaun. Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich an’s Licht hervor! Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt. Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie. Phorkyas (auf der Schwelle zwischen den Thürpfosten auftretend). Chor. Vieles erlebt’ ich, obgleich die Locke Jugendlich wallet mir um die Schläfe! Schreckliches hab’ ich vieles gesehen, Kriegrischen Jammer, Ilios Nacht, Als es fiel. Durch das umwölkte, staubende Tosen Drängender Krieger hört’ ich die Götter Fürchterlich rufen, hört’ ich der Zwietracht Eherne Stimme schallen durch’s Feld, Mauerwärts. Ach! sie standen noch, Ilios Mauern, aber die Flammengluth Zog vom Nachbar zum Nachbar schon, <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <sp> <p><pb facs="#f0199" n="187"/> Geschmückt sich hebt und nah daran das Schatzgemach;<lb/> Allein das Wunder reißt sich schnell vom Boden auf,<lb/> Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich<lb/> In hagrer Größe, hohlen, blutig-trüben Blicks,<lb/> Seltsamer Bildung, wie sie Aug und Geist verwirrt.<lb/> Doch red’ ich in die Lüfte; denn das Wort bemüht<lb/> Sich nur umsonst Gestalten schöpferisch aufzubaun.<lb/> Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich an’s Licht hervor!<lb/> Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt.<lb/> Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund<lb/> Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Phorkyas</hi> </speaker><lb/> <stage>(auf der Schwelle zwischen den Thürpfosten auftretend).</stage><lb/> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Chor.</hi> </speaker><lb/> <lg type="poem"> <lg> <l rendition="#et">Vieles erlebt’ ich, obgleich die Locke</l><lb/> <l rendition="#et">Jugendlich wallet mir um die Schläfe!</l><lb/> <l rendition="#et">Schreckliches hab’ ich vieles gesehen,</l><lb/> <l rendition="#et">Kriegrischen Jammer, Ilios Nacht,</l><lb/> <l rendition="#et">Als es fiel.</l><lb/> </lg> <lg> <l rendition="#et">Durch das umwölkte, staubende Tosen</l><lb/> <l rendition="#et">Drängender Krieger hört’ ich die Götter</l><lb/> <l rendition="#et">Fürchterlich rufen, hört’ ich der Zwietracht</l><lb/> <l rendition="#et">Eherne Stimme schallen durch’s Feld,</l><lb/> <l rendition="#et">Mauerwärts.</l><lb/> </lg> <lg> <l rendition="#et">Ach! sie standen noch, Ilios</l><lb/> <l rendition="#et">Mauern, aber die Flammengluth</l><lb/> <l rendition="#et">Zog vom Nachbar zum Nachbar schon,</l><lb/> </lg> </lg> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [187/0199]
Geschmückt sich hebt und nah daran das Schatzgemach;
Allein das Wunder reißt sich schnell vom Boden auf,
Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich
In hagrer Größe, hohlen, blutig-trüben Blicks,
Seltsamer Bildung, wie sie Aug und Geist verwirrt.
Doch red’ ich in die Lüfte; denn das Wort bemüht
Sich nur umsonst Gestalten schöpferisch aufzubaun.
Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich an’s Licht hervor!
Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt.
Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund
Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie.
Phorkyas
(auf der Schwelle zwischen den Thürpfosten auftretend).
Chor.
Vieles erlebt’ ich, obgleich die Locke
Jugendlich wallet mir um die Schläfe!
Schreckliches hab’ ich vieles gesehen,
Kriegrischen Jammer, Ilios Nacht,
Als es fiel.
Durch das umwölkte, staubende Tosen
Drängender Krieger hört’ ich die Götter
Fürchterlich rufen, hört’ ich der Zwietracht
Eherne Stimme schallen durch’s Feld,
Mauerwärts.
Ach! sie standen noch, Ilios
Mauern, aber die Flammengluth
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/199>, abgerufen am 16.02.2025. |