Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832. Phorkyas. Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind's. Chor. Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß. Phorkyas. Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß, Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang, Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch: Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich, Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz, Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört. Helena. Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier! Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches. Phorkyas. Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs. Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht; Gestad' und Inseln, alles streift' er feindlich an, Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt. Vor Ilios verbracht' er langer Jahre zehn, Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war. Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher? Helena.
Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt, Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst? Phorkyas. Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s. Chor. Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß. Phorkyas. Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß, Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang, Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch: Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich, Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz, Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört. Helena. Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier! Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches. Phorkyas. Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs. Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht; Gestad’ und Inseln, alles streift’ er feindlich an, Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt. Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn, Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war. Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher? Helena.
Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt, Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst? <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0213" n="201"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Phorkyas.</hi> </speaker><lb/> <p>Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug<lb/> Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Chor.</hi> </speaker><lb/> <p>Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Phorkyas.</hi> </speaker><lb/> <p>Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt<lb/> Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß,<lb/> Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang,<lb/> Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch:<lb/> Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht<lb/> Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich,<lb/> Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz,<lb/> Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Helena.</hi> </speaker><lb/> <p>Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier!<lb/> Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches.<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Phorkyas.</hi> </speaker><lb/> <p>Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.<lb/> Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht;<lb/> Gestad’ und Inseln, alles streift’ er feindlich an,<lb/> Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.<lb/> Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn,<lb/> Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war.<lb/> Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos<lb/> Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?<lb/></p> </sp> <sp> <speaker> <hi rendition="#g">Helena.</hi> </speaker><lb/> <p>Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,<lb/> Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [201/0213]
Phorkyas.
Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug
Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s.
Chor.
Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß.
Phorkyas.
Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt
Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß,
Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang,
Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch:
Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht
Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich,
Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz,
Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört.
Helena.
Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier!
Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches.
Phorkyas.
Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.
Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht;
Gestad’ und Inseln, alles streift’ er feindlich an,
Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.
Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn,
Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war.
Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos
Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?
Helena.
Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,
Daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |