Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Pater Seraphicus
(mittlere Region).
Welch ein Morgenwölkchen schwebet
Durch der Tannen schwankend Haar!
Ahn' ich was im Innern lebet?
Es ist junge Geisterschaar.
Chor seliger Knaben.
Sag' uns, Vater, wo wir wallen,
Sag' uns, Guter, wer wir sind?
Glücklich sind wir, allen allen
Ist das Daseyn so gelind.
Pater Seraphicus.
Knaben! Mitternachts Geborne,
Halb erschlossen Geist und Sinn,
Für die Eltern gleich Verlorne,
Für die Engel zum Gewinn.
Daß ein Liebender zugegen
Fühlt ihr wohl, so naht euch nur;
Doch von schroffen Erdewegen
Glückliche! habt ihr keine Spur.
Steigt herab in meiner Augen
Welt- und erdgemäß Organ,
Könnt sie als die euern brauchen,
Schaut euch diese Gegend an.
(Er nimmt sie in sich.)
Das sind Bäume, das sind Felsen,
Wasserstrom, der abestürzt
Und mit ungeheurem Wälzen
Sich den steilen Weg verkürzt.
Pater Seraphicus
(mittlere Region).
Welch ein Morgenwölkchen schwebet
Durch der Tannen schwankend Haar!
Ahn’ ich was im Innern lebet?
Es ist junge Geisterschaar.
Chor seliger Knaben.
Sag’ uns, Vater, wo wir wallen,
Sag’ uns, Guter, wer wir sind?
Glücklich sind wir, allen allen
Ist das Daseyn so gelind.
Pater Seraphicus.
Knaben! Mitternachts Geborne,
Halb erschlossen Geist und Sinn,
Für die Eltern gleich Verlorne,
Für die Engel zum Gewinn.
Daß ein Liebender zugegen
Fühlt ihr wohl, so naht euch nur;
Doch von schroffen Erdewegen
Glückliche! habt ihr keine Spur.
Steigt herab in meiner Augen
Welt- und erdgemäß Organ,
Könnt sie als die euern brauchen,
Schaut euch diese Gegend an.
(Er nimmt sie in sich.)
Das sind Bäume, das sind Felsen,
Wasserstrom, der abestürzt
Und mit ungeheurem Wälzen
Sich den steilen Weg verkürzt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="act" n="1">
        <div type="scene" n="2">
          <pb facs="#f0347" n="335"/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#aq">Pater Seraphicus</hi> </hi> </speaker><lb/>
            <stage>(mittlere Region).</stage><lb/>
            <p>Welch ein Morgenwölkchen schwebet<lb/>
Durch der Tannen schwankend Haar!<lb/>
Ahn&#x2019; ich was im Innern lebet?<lb/>
Es ist junge Geisterschaar.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#g">Chor seliger Knaben.</hi> </speaker><lb/>
            <p>Sag&#x2019; uns, Vater, wo wir wallen,<lb/>
Sag&#x2019; uns, Guter, wer wir sind?<lb/>
Glücklich sind wir, allen allen<lb/>
Ist das Daseyn so gelind.<lb/></p>
          </sp>
          <sp>
            <speaker><hi rendition="#aq">Pater Seraphicus</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Knaben! Mitternachts Geborne,<lb/>
Halb erschlossen Geist und Sinn,<lb/>
Für die Eltern gleich Verlorne,<lb/>
Für die Engel zum Gewinn.<lb/>
Daß ein Liebender zugegen<lb/>
Fühlt ihr wohl, so naht euch nur;<lb/>
Doch von schroffen Erdewegen<lb/>
Glückliche! habt ihr keine Spur.<lb/>
Steigt herab in meiner Augen<lb/>
Welt- und erdgemäß Organ,<lb/>
Könnt sie als die euern brauchen,<lb/>
Schaut euch diese Gegend an.<lb/></p>
            <stage>(Er nimmt sie in sich.)</stage><lb/>
            <p>Das sind Bäume, das sind <choice><sic>Felseu</sic><corr>Felsen</corr></choice>,<lb/>
Wasserstrom, der abestürzt<lb/>
Und mit ungeheurem Wälzen<lb/>
Sich den steilen Weg verkürzt.<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0347] Pater Seraphicus (mittlere Region). Welch ein Morgenwölkchen schwebet Durch der Tannen schwankend Haar! Ahn’ ich was im Innern lebet? Es ist junge Geisterschaar. Chor seliger Knaben. Sag’ uns, Vater, wo wir wallen, Sag’ uns, Guter, wer wir sind? Glücklich sind wir, allen allen Ist das Daseyn so gelind. Pater Seraphicus. Knaben! Mitternachts Geborne, Halb erschlossen Geist und Sinn, Für die Eltern gleich Verlorne, Für die Engel zum Gewinn. Daß ein Liebender zugegen Fühlt ihr wohl, so naht euch nur; Doch von schroffen Erdewegen Glückliche! habt ihr keine Spur. Steigt herab in meiner Augen Welt- und erdgemäß Organ, Könnt sie als die euern brauchen, Schaut euch diese Gegend an. (Er nimmt sie in sich.) Das sind Bäume, das sind Felsen, Wasserstrom, der abestürzt Und mit ungeheurem Wälzen Sich den steilen Weg verkürzt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Freies Deutsches Hochstift (Frankfurter Goethe-Museum), Sign. III B / 23: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-03-12T12:00:00Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/347
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart, 1832, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_faust02_1832/347>, abgerufen am 22.11.2024.